Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Jahr: 2016 Seite 1 von 16

Altjahresabend

Aus der durch­höhl­ten Rübe springt die Maus.
Der rei­fe Wind zwingt das Holun­der­blatt zu tage­lan­gem Pur­zel­baum -
Die lee­re Rüben­ba­cke klafft,
Die Tau­ben peitscht der Wind ans Haus.

Den Bau­ern­pfer­den wächst das Haar wie Moos so dicht.
Das Jahr geht hin. Kein Anfang ist und Ende nicht.
Die Eichel fällt – die Ein­sam­keit erschrickt, und Öde schluckt den Ton.
Sie schluckt auch mei­ner Soh­le Lär­men, sie ver­gaß mich schon.
Wil­helm Leh­mann, Alt­jah­res­abend (1928)

spinnennetz mit tau

Ins Netz gegangen (19.12.)

Ins Netz gegan­gen am 19.12.:

  • ÖPNV der Her­zen | fair­kehr → das maga­zin des vcd stellt mög­lich­kei­ten vor, den öpnv in deutsch­land attrak­ti­ver zu machen (es gibt schon eine erstaun­li­che men­ge pilot­pro­jek­te dazu, die aber anschei­nend alle iso­liert vor sich hin wursch­teln …)
  • Der Zür­cher Lite­ra­tur­streit vor 50 Jah­ren: Keh­ren wir zu Mozart zurück | NZZ → roman bucheli erin­nert in der „nzz“ an den zür­cher lite­ra­tur­streit, der vor 50 jah­ren mit der rede emil staigers begann.

    Emil Staiger hat­te die Uni­ver­si­tät, die Büh­ne des städ­ti­schen Thea­ters und auch das Feuil­le­ton als die letz­ten Boll­wer­ke einer Kunst bewah­ren wol­len, die unbe­rührt von den Erschei­nun­gen ver­än­der­ter Lebens­wel­ten und Zei­ten, aber im Zei­chen ewi­ger Wer­te ste­hen soll­te. Mit sei­ner Rede jedoch bra­chen die Däm­me, die er eigent­lich zu errich­ten beab­sich­tigt hat­te.

    Ein für alle Mal hat­te er die Fra­ge klä­ren wol­len, wel­che Kunst allein Bestand habe und wel­ches ihre Auf­ga­be nur sein kön­ne. Sei­ne Dan­kes­re­de aber ent­fach­te die­se Kon­tro­ver­sen erst rich­tig.

  • Nichts gegen pin­ke Ein­hör­ner, aber… | Spie­gel Online → sibyl­le berg wet­tert (mit recht!) gegen gegen­der­tes spiel­zeug und den gan­zen pin­ken mäd­chen­wahn­sin …
  • Das Schlip­pen­bach Trio auf Win­ter­rei­se | Jazz­zei­tung → beim blog der „jazz­zei­tung“ gibt es schö­ne fotos von der aktu­el­len „win­ter­rei­se“ des schlip­pen­bach-tri­os
zeitungen gebündelt

Wir wissen, dass wir nichts wissen

Dies gan­zen „Was wir wissen“-Listen und ‑Live-Blogs der Qua­li­täts­me­di­en sind doch eine ein­zi­ge erbärm­li­che Bank­rott­erklä­rung – auch wenn sie für „das Bes­te, was uns ein­fällt“ gehal­ten wer­den. Ers­tens: Wäre es nicht das Ziel guten Jour­na­lis­mus, über­haupt immer (nur) das zu schrei­ben, was man (oder eben, wenn man unbe­dingt emo­tio­nal mani­pu­lie­ren will, wir) weiß? Zwei­tens: Wäre es, wenn schon der ers­te Punkt nur ein Wunsch, eine Ziel­vor­stel­lung ist, erstre­bens­wert, wenigs­tens in die­sen „Was wir wissen“-Texten sich auf Wis­sen zu beschrän­ken – und zwar jour­na­lis­tisch abge­si­cher­tes Wis­sen (also zum Bei­spiel: ordent­li­che Quel­len, von ein­an­der unab­hän­gig Quel­len (und der Plu­ral ist da wich­tig))? Ste­fan Nig­ge­mei­er hat das bei „Über­me­di­en“ schon gut auf­ge­zeigt. Und drit­tens: Wäre es nicht sowie­so viel sinn­vol­ler, mal ein bis drei Gän­ge zurück­zu­schal­ten bei sol­chen Ereig­nis­sen? Denn: Wie rele­vant ist die per­ma­nen­te Flu­tung mit (Eil-)Meldungen für die Bevöl­ke­rung in Deutsch­land den wirk­lich, ins­be­son­de­re in den Stun­den direkt nach der Tat? Selbst „Zeit“ und „Süd­deut­sche“ „unter­hal­ten“ ihr Publi­kum den gan­zen Tag mit einem kon­stan­ten Strom an Qua­si­nach­rich­ten. Nur: Ändert sich für die Men­schen denn wirk­lich so viel? Klar, wenn es Hin­wei­se gäbe, dass es kei­ne Ein­zel­tat war – dann soll und muss natür­lich ent­spre­chend gewarnt wer­den. Aber sonst? Kann man die Poli­zei nicht wenigs­tens zunächst mal ihre Arbeit machen las­sen und ver­nünf­ti­ge Ermitt­lun­gen durch­füh­ren las­sen? (Ich bin bis­her gut damit gefah­ren, nach sol­chen Ereig­nis­sen mir selbst sozu­sa­gen eine kurz­zei­ti­ge „Medi­en­qua­ran­tä­ne“ zu ver­ord­nen. Was über Twit­ter rein­kommt, ist schon mehr als genug, da muss ich nicht noch als Klick­vieh die­nen … Und tat­säch­lich ist das – auch wenn’s etwas hart klingt – für mein psy­cho­so­zia­les Empfinden/​Wohlbefinden aus­ge­spro­chen dien­lich.) Natür­lich kann – und muss! – die­se Arbeit auch jour­na­lis­tisch beglei­tet und hin­ter­fragt wer­den. Das heißt aber auch nicht, dass man alles nach­plap­pert, was irgend­ein Poli­zei- oder Polit­funk­tio­när, der mit dem kon­kre­ten Fall nichts zu tun hat, gera­de für mit­tei­lens­wert hält.

Das alles, was ich eigent­lich ganz banal unter „jour­na­lis­ti­sches Hand­werk“ sub­su­mie­ren möch­te, hät­te nicht nur einen qua­li­ta­ti­ven Vor­teil für die Medi­en. Son­dern auch für die Men­schen: Sie müss­ten sich nicht unnö­tig ängs­ti­gen – und dann auch nicht von den glei­chen Medi­en, die Panik und Furcht ver­brei­ten (um des Geschäf­tes wil­len, offen­sicht­lich) ermahnt zu wer­den, der Angst kei­nen Raum zu geben …

free music (unsplash.com)

Hineingehört #1

Eine klei­ne Intakt-Aus­le­se aus dem zwei­ten Halb­jahr – dank des vor­treff­li­chen Abon­ne­ments bekom­me ich ja immer alle Ver­öf­fent­li­chun­gen post­wen­dend gelie­fert:

Musikalische Monster

musical monsters (cover)Die Musi­cal Mons­ters sind eigent­lich gar kei­ne neue Musik. Auf­ge­nom­men wur­de das näm­lich schon 1980 bein Jazz­fes­ti­val Wil­li­s­au. Des­sen Chef Niklaus Trox­ler hat die Bän­der gut auf­ge­ho­ben. Und Intakt konn­te sie jetzt, nach umständ­li­cher Rech­te­ab­klä­rung, end­lich ver­öf­fent­li­chen. Zu hören ist ein Quin­tett mit gro­ßen Namen: Don Cher­ry, Irè­ne Schwei­zer, Pierre Fav­re, John Tchi­cai und Léon Fran­cio­li, das es so sonst nicht zu hören gibt. Am erstaun­lichs­ten fand ich, wie wenig man die 36 Jah­re, die die Auf­nah­me alt ist, der Musik anhört. Die vier groß­for­ma­ti­gen, größ­ten­teils frei­en Impro­vi­sa­tio­nen – es gibt ein paar melo­disch fixier­te Anker­punk­te, die als fest­ge­leg­te Schar­nie­re zwi­schen Solo- und Kol­lek­tiv­im­pro­sia­tio­nen die­nen – klin­gen erstaun­lich frisch, ja fast zeit­los: Die intui­ti­ve Spon­ta­nei­tät und Inten­si­tät ist ziem­lich fes­selnd. Vor allem, weil sie von allem etwas bie­tet – ver­spiel­te Faxen, inti­me Momen­te, packen­de Ener­gien … Und weil die fünf ziem­lich gleich­wer­ti­ge, glei­cher­ma­ßen fas­zi­nie­ren­de Musi­ke­rin­nen sind, die sich immer wie­der zu gro­ßen Momen­ten inne­rer Stär­ke auf­schwin­gen, die in erstaun­li­cher Dich­te auf­ein­an­der fol­gen und zuwei­len sogar ech­tes Pathos erzeu­gen. Beson­ders fas­zi­nie­rend fand ich das in der zwei­ten Impro­vi­sa­ti­on, mit über zwan­zig Minu­ten auch die längs­te, in der sich groß­ar­ti­ge Soli (vor allem Tchi­cai sticht hier her­vor) und span­nen­de, in ihrer fra­gen­den Offen­heit unge­mein fes­seln­de Grup­pen­im­pro­vi­sa­tio­nen bal­len.

Don Cher­ry, John Tchi­cai, Irè­ne Schwei­zer, Léon Fran­cio­li, Pierre Fav­re: Musi­cal Mons­ters. Intakt Records CD 269, 2016. 59:28 Minu­ten.

Tiefe Gedächtnismusik

deep memory (cover)Für Deep Memo­ry hat sich Bar­ry Guy, der die CD im Trio mit Mari­lyn Cris­pell und Paul Lyt­ton auf­nahm, von den Bil­dern Hug­hie O’ Donoghues zu Kom­po­si­tio­nen anre­gen las­sen. Die sie­ben Stü­cke tra­gen die Titel der Bil­der: Slee­per, Dark Days, Fal­len Angeld oder Silen­ced Music hei­ßen sie etwa. Das sind aber kei­ne musi­ka­li­schen Ekphra­sen, son­dern eher Kom­po­si­tio­nen, die sich von dem Bild – sei­nen Far­ben, sei­ner Gestalt und vor allem viel­leicht: sei­ner Stim­mung – zu akus­ti­schen Ein­drü­cken inspi­rie­ren las­sen. Vie­les davon lässt sich in wei­ten Bögen, oft ver­träumt-ver­spon­nen und/​oder nach­denk­lich, tra­gen und speist sich nicht unwe­sent­lich aus dem inti­men Zusam­men­spiel des Tri­os, das ja schon seit gefühl­ten Ewig­kei­ten immer wie­der mit­ein­an­der musi­ziert und der Effekt­ha­sche­rei aus­ge­spro­chen abhold ist. Und das auch auf Deep Memo­ry vor allem durch sei­ne kam­mer­mu­si­ka­li­sche Dich­te und Inten­si­tät der far­ben­präch­ti­gen, ten­den­zi­ell melan­cho­li­schen Klang­ma­le­rei gefällt. Die befin­den sich, so hört es sich an, eigent­lich immer auf der glei­chen Wel­len­län­ge, um die­ses stra­pa­zier­te, hier aber sehr pas­sen­de Bild zu benut­zen.

Bar­ry Guy, Mari­lyn Cris­pell, Paul Lyt­ton: Deep Memo­ry. Intakt Records CD 273, 2016. 52:07 Minu­ten.

Am großen Rad drehen

christoph irniger pilgrim, big wheel live (cover)Big Wheel Live ist die zwei­te CD von Chris­to­pher Irni­ger Pil­grim, wie der span­nen­de Saxo­fo­nist, Kom­po­nist & Band­lea­der Irni­ger sein Quin­tett mit Ste­fan Aeby, Davie Gis­ler, Raf­fae­le Bos­sard und Michi Stulz nennt. Auch wenn das „Live“ wirk­lich auf Live-Auf­nah­men (in Ber­lin, Rat­ze­burg und Alten­burg) zurück­geht, klingt die CD rich­tig gut. Und das ist in sofern beson­ders schön, weil gera­de Aeby ein sehr klang­sin­ni­ger Pia­nist ist.
Die gan­ze Musik auf Big Wheel Live zeich­net sich mei­nes Erach­tens nicht nur durch ihren kraft­vol­len Sound aus, son­dern vor allem durch ihre Räum­lich­keit und Tie­fe. Oft ist das nur lose ver­bun­den, nur locker gewebt, gibt so den Fün­fen aber viel Chan­cen zum aus­grei­fen­den Erfor­schen. Und der Frei­raum zum Erkun­den, die Öff­nung in alle Him­mels­rich­tun­gen wird weid­lich genutzt: Man hört eigent­lich immer eine per­ma­nen­te Such­be­we­gung, die stets fort­schrei­tet, die beim schö­nen Augen­blick ver­weilt, son­dern immer wei­ter will – wie es gute impro­vi­sier­te Musik eben (fast) immer tut. Neben Aeby, der sich immer mehr zu einem sehr inter­es­san­ten Pia­nist ent­wi­ckeln zu scheint, hat mir hier vor allem die oft sehr span­nen­de, über­ra­schen­de Spiel­wei­se des Schlag­zeu­gers Michi Stulz gefal­len. Gitar­rist Dave Gis­ler und Irni­gers Saxo­phon umspie­len sich oft sehr eng. Ent­schei­dend aber in allen sechs Titeln: Das bleibt immer im Fluss, die Ideen ver­san­den eigent­lich nie, son­dern fin­den immer neue Pfa­de und Wege.

Chris­toph Irni­ger Pil­grim: Big Wheel Live. Intakt Records CD 271, 2016. 62:44 Minu­ten.

Das unsterbliche Trio

schlippenbach trio, warsaw concert (cover)Viel­leicht ist es das euro­päi­sche Jazz­trio schlecht­hin, sicher­lich wohl das am längs­ten amtie­ren­de: Alex­an­der von Schlip­pen­bach, Evan Par­ker und Paul Lovens sind das Schlip­pen­bach-Trio. Und zwar schon ewig. Und jedes Jahr sind wie wie­der unter­wegs (die schö­ne Film-Doku­men­ta­ti­on Aber das Wort Hund bellt ja nicht hat die jähr­li­che „Win­ter­rei­se“ des Tri­os ja sehr anschau­lich gemacht), immer wie­der in der glei­chen Beset­zung mit immer ande­rer Musik – nicht ohne Selbst­iro­nie nennt Schlip­pen­bach das im Begleit­heft des­halb „das unsterb­li­che Trio“.
Erstaun­lich dar­an ist vor allem, dass es nicht lang­wei­lig wird, dass die­se gro­ße Ver­traut­heit mit­ein­an­der nicht in Belang­lo­sig­kei­ten mün­det. Auch das War­saw Con­cert ist wie­der eine auf­nah­me­tech­nisch und musi­ka­lisch gut gelun­ge­ne Live-Auf­nah­me vom Okto­ber 2015. Und beim Schlip­pen­bach-Trio heißt das: Eine ein­zi­ge lan­ge Impro­vi­sa­ti­on ohne Pau­sen oder Unter­bre­chun­gen, ohne Ver­ab­re­dun­gen und ohne Kom­po­si­ti­on – knapp 52 Minu­ten sind das (dazu kommt noch eine kur­ze, fast humo­ris­ti­sche Zuga­be).
Der ers­te Ein­druck: Net­te Musik – das funk­tio­niert ein­fach, das passt. Und das ist wirk­lich Musik der Frei­heit: Weil sie sich (und dem Publi­kum) nichts (mehr) bewei­sen müs­sen. Und: Weil sie viel kön­nen, enorm viel, sowohl allei­ne mit ihren Instru­men­ten als auch zusam­men als Trio. Des­halb schöpf­ten sie mit locke­rer Hand auch in War­schau eine Viel­falt der Stim­mun­gen. Vie­les klingt viel­leicht etwas alters­mil­de in der Klar­heit und dem lyri­schen Aus­druck (wenn man das so deu­ten möch­te), stel­len­wei­se aber durch­aus auch boh­rend und insis­tie­rend. Das ist ein­fach aus­ge­zeich­ne­ter, gelun­ge­ner, „klas­si­scher“ Free Jazz, den man ger­ne wie­der­holt anhört und ver­sucht nach­zu­voll­zie­hen.

Schlip­pen­bach Trio: War­saw Con­cert. Intakt Records CD 275, 2016. 56:36 Minu­ten.

Zur Erleuchtung

aeby trio, to the light (cover)Ste­fan Aeby war ja auch schon im Chris­toph Irni­ger Pil­grim ver­tre­ten, hier ist nun noch ein­mal als „Chef“ mit sei­nem eige­nen Trio zu hören, das aber mit Michi Stulz am Schlag­zeug noch eine wei­te­re Per­son mit dem Pil­grim-Ensem­ble teilt. To the Light ist eine Musik des Klan­ges: Ich höre hier nicht so sehr rhyth­misch und/​oder har­mo­ni­sche Struk­tu­ren, son­dern vor allem Klän­ge. Klän­ge, die sich immer wie­der zu klei­nen Sze­nen und ima­gi­nä­ren Bil­dern for­men. Das Trio passt da in die­ser Hin­sicht aus­ge­zeich­net zusam­men: Nicht nur Ste­fan Aeby am Kla­vier ist ein biss­chen ein Klang­ma­gi­er, auch der Bass von André Pou­saz hat erstaun­li­che Qua­li­tä­ten (beson­ders schön im Titel­stück wahr­zu­neh­men, das sowie­so eine ziem­lich groß­ar­ti­ge Sache ist). Und Michi Stulz, mit hal­li­gen Becken und eng klin­gen­den Toms zau­bert für einen Schlag­zeu­ger erstaun­lich flä­chi­ge Klän­ge. Das ist ein poe­ti­scher Sound, eine wei­che und wan­del­ba­re Klang­ge­stalt, die mir aus­ge­zeich­net gefällt. Vie­les ist (min­des­tens ten­den­zi­ell) leicht ver­träumt und klingt mit roman­tisch-impres­sio­nis­ti­schem Ein­schlag, ist dabei aber kei­nes­wegs schwind­süch­tig, son­dern durch­aus mit gesun­der Kraft und Potenz musi­ziert, die aber nie auf­trump­fend aus­ge­spielt wird: So klin­gen Musi­ker, die sich nichts bewei­sen müs­sen, möch­te ich ver­mu­ten. Die Musi­ker muss man sich wohl immer als lau­schen­de Instru­men­ta­lis­ten vor­stel­len: Viel­leicht ist es ja sowie­so gera­de das (Zu-)Hören, das gute Impro­vi­sa­to­rin­nen (oder Jaz­zer) aus­macht. Oder, wie es Flo­ri­an Kel­ler im Begleit­text sehr tref­fend for­mu­liert: „Eine Musik, die die Figur des Lau­schers ent­ste­hen lässt. Und die­sem viel Raum für sei­ne Fan­ta­sie gewährt.“

Ste­fan Aeby Trio: To the Light. Intakt Records CD 274, 2016. xx:28 Minu­ten.
unter-sensbach, prospekt

Arbeitsplatz (10)

Am letz­ten Sams­tag war ich – am Vor­abend des drit­ten Advents – zur Eröff­nung des Weih­nachts­markt im Sen­s­bach­tal, genau­er gesagt: in der Dorf­kir­che Unter-Sen­s­bach. Da der Män­ner­ge­sang­ver­ein sang, hat­te ich nicht so arg viel tun … Die Kir­che, ein Neu­bau von 1961, hat eine etwas unge­wöhn­li­che bau­li­che Lösung für die 1963 erbau­te Orgel (an der sich dem Anschein nach seit damals nichts geän­dert hat, noch nicht ein­mal der Motor­schlüs­sel …): Die steht in einer Nische neben dem Altar, an der Rück­wand der Kir­che – so hat man als Orga­nist lei­der sehr wenig Kon­takt zur Gemein­de.

spinnenetz mit tautropfen

Ins Netz gegangen (15.12.)

Ins Netz gegan­gen am 15.12.:

  • Kom­men­tar: Adblo­cker| Kuketz IT-Secu­ri­ty Blog → mike kuketz nennt adblo­cker nicht ohne grund „digi­ta­le selbst­ver­tei­di­gung“ – die sind näm­lich der bes­te weg, die ver­brei­tung von mal­wa­re ein­zu­däm­men.
  • Frank­reich: Wenn der Not­stand zur Nor­ma­li­tät wird | Netz­po­li­tik → seit über einem jahr herrscht nun schon in frank­reich der aus­nah­me­zu­stand, der wich­ti­ge rechts­staat­li­che garan­tien außer kraft setzt – und ein ende ist nicht abzu­se­hen. und von außen ist das schon lan­ge nicht mehr grenz­wer­tig, son­dern eben eines demo­kra­ti­schen rechts­staa­tes aus­ge­spro­chen unwür­dig …
  • Mit Gegen­warts­mu­sik die Son­der­sphä­re ver­las­sen | neue musik­zei­tung → der kom­po­nist claus-stef­fen mahn­kopf möch­te den begriff „neue musik“ los­wer­den und schlägt als ersatz „gegen­warts­mu­sik“ vor:

    Der Begriff neue Musik sagt nichts. Denn gleich, wie man zu den Pro­duk­tio­nen sti­lis­tisch, ideo­lo­gisch oder geschmack­lich steht, ein gera­de kom­po­nier­tes, auf­ge­führ­tes impro­vi­sier­tes, instal­liers­tes „Werk“ ist immer neu, per defi­ni­tio­nem. Der Begriff neue Musik ist irre­füh­rend, denn er unter­stellt, dass etwas, was kürz­lich aus der Tau­fe geho­ben wur­de, auch etwas Neu­es brin­ge. Das ist meis­tens nicht der Fall. Und dass die­ses Neue auch die Wich­tig­keit begrün­de. Das ist eben­falls meis­tens nicht der Fall. Die Neu­heit kommt sozu­sa­gen frei Haus, garan­tiert, ohne Anstren­gung und – schlim­mer noch – ohne Hin­ter­fra­gung. Der Begriff neue Musik ist ein Armuts­zeug­nis.
    […] Die (im wei­tes­ten Sin­ne) kom­po­nier­te Musik von heu­te, die in der GEMA als E‑Musik gehan­delt wird, ist somit Kunst­mu­sik, die aus der Gegen­wart kommt. Sie müss­te somit Gegen­warts­kunst­mu­sik hei­ßen. Oder abge­kürzt: Gegen­warts­mu­sik. Das ist der Begriff, der mir noch am geeig­nets­ten erscheint.

  • Die Digi­tal­char­ta – und was wir statt­des­sen brau­chen | irights.info → der anwalt marc pütz-pou­la­li­on mit mei­nes erach­tens guten argu­men­ten gegen die digi­tal­char­ta und vor­schlä­ge, was statt­des­sen nötig wäre (im grun­de: durch­set­zung und wei­ter­ent­wick­lung des ein­fa­chen rech­tes anstatt nebu­lö­ser grund­rech­te …)
  • Paal Nils­sen-Love: Auf dem Schoß von Art Bla­key | Zeit → tobi­as lehm­kuhl hat für die „zeit“ den free-jazz-schlag­zeu­ger paal nils­sen-love por­trä­tiert

    Fra­ge zum Schluss: Ob es auch Din­ge auf dem Schlag­zeug gebe, die er expli­zit anders habe machen wol­len als all die ande­ren Schlag­zeu­ger, die er als Kind in Sta­van­ger gehört habe? Nein, das kön­ne man so nicht sagen. Er habe eher alles in sich auf­ge­saugt und sei­ne eige­ne Sache dar­aus gemacht. Musik geht eben durch den gan­zen Kör­per. Beson­ders die des Schlag­zeugs.

basta (bandfoto)

Gute-Laune-Musik von basta

basta, freizeichen (cover)Net­ter­wei­se sagen die fünf Jungs von Bas­ta gleich dazu, was sie machen: Gute-Lau­ne-Musik. Das ist nicht nur ein Song­ti­tel auf dem neu­en Album „Frei­zei­chen“, son­dern auch die bes­te Art, das Quin­tett und ihre Musik zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Gute Lau­ne quillt näm­lich sozu­sa­gen aus allen akus­ti­schen Poren ihrer ach­ten CD, die sie in einem Wohn­zim­mer auf dem Land vor den Toren Kölns auf­ge­nom­men haben. Die ent­spann­te Atmo­sphä­re bei der Ent­ste­hung hat sich hör­bar nie­der­ge­schla­gen. Man hat unwei­ger­lich immer fünf nett lächeln­de jun­ge Män­ner vor dem inne­ren Auge – manch­mal geht das Lächeln etwas mehr ins Schel­mi­sche, manch­mal wird es eher iro­nisch. So klingt’s auch: Bas­ta bedient sich hier und da, lässt sogar mal ein biss­chen Bos­sa-Nova-Fee­ling auf­kom­men. Die Haupt­sa­che aber ist: Es klingt immer schön ein­gän­gig, leicht und zugäng­lich. Und manch­mal schreit das gera­de­zu nach Live-Auf­füh­rung: „Ich Bass“ zum Bei­spiel, bei dem Arndt Schm­öle zei­gen kann, was so ein Bass drauf hat, aber auch „Nach­kom­men“ sind Songs, die auf der CD ihr Poten­zi­al nur andeu­ten kön­nen.

Ande­res zün­det dage­gen auch hier. „Gute-Lau­ne-Musik“ nimmt die ein­fa­chen Pop-Hit-Rezep­te mit stamp­fen­dem Beat und um jeden Preis ein­gän­gi­gen Refrains schön aufs Korn. „Ein klei­nes biss­chen Hass“ ist eine schö­ne Pop­hym­ne gegen das Unter­drü­cken eige­ner Gefüh­le. Und mit „Buh­ne 4“ ist auch eine rich­tig schwär­me­risch-sehn­süch­ti­ge Lie­bes­bal­la­de als „Sehn­suchts­sin­fo­nie“, wie es im Text heißt, mit dabei. Es geht dann auch immer wie­der leicht zeit- und kul­tur­kri­tisch zu – schon gleich beim Ope­ner „Off­line“, der das Off­line-Gehen als das „letz­te Aben­teu­er“ gegen die Online­sucht stellt, oder beim musi­ka­lisch sehr mit­rei­ßen­dem „Sodom und Gome­ra“, das die Aus­wüch­se des Pau­schal­tou­ris­mus mit fre­cher Zun­ge vor­führt.

Bas­ta sind eben ganz schön aus­ge­fuchst, rou­ti­niert und smart. Wil­liam Wahl, der mit ein wenig Hil­fe bei den Arran­ge­ments von Oli­ver Gies, fast allei­ne für Tex­te und Musik zustän­dig ist, hat sich vie­le net­te Details ein­fal­len las­sen. Ins­ge­samt wirkt „Frei­zei­chen“ aber etwas atem­los, Schlag auf Schlag folgt hier immer mehr von fast dem Glei­chen. Das ist alles ohne Fra­ge auf glei­chem, hohen Niveau. Aber kaum ein Song sticht wirk­lich her­aus. Alle sind sie zwei­fel­los gut gemacht, haben net­te Ideen und fei­nen Witz, geschick­te Arran­ge­ments und wer­den aus­ge­zeich­net gesun­gen.

So klingt das gan­ze „Frei­zei­chen“ aus­ge­spro­chen geschmei­dig, bleibt dabei aber auch etwas ober­fläch­lich. Das ist alles so ein­gän­gig, dass man sich bei jedem Song sofort zu Hau­se fühlt. Aber lei­der sind sie auch schnell wie­der aus den Ohren und aus dem Sinn. Bas­ta macht auf „Frei­zei­chen“ eigent­lich nichts ver­kehrt, tech­nisch und sän­ge­risch sowie­so nicht. Aber den­noch gibt es eher wenig, was so rich­tig voll begeis­tert und Zustim­mung erzwingt. Aber immer­hin hat Bas­ta damit viel Mate­ri­al für groß­ar­ti­ge Live-Kon­zer­te.

Bas­ta: Frei­zei­chen. The Record Com­pa­ny 2016. Spiel­zeit: 47:42.

(Zuerst erschie­nen in »Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

netzgebilde (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (12.12.)

Ins Netz gegan­gen am 12.12.:

the king's singers (gruppenbild)

Das Weihnachtsliederbuch der King’s Singers

the king's singers, christmas songbook (cover)Mehr als zehn Jah­re nach ihrem letz­ten Weih­nachts­al­bum gibt es end­lich das neue „Christ­mas Song­book“ der King’s Sin­gers. Das bie­tet eine knap­pe Stun­de tra­di­tio­nel­le und moder­ne Weih­nachts­lie­der: Von „Stil­le Nacht“ und Gus­tav Holsts „In the Bleak Mid­win­ter“ über Irving Ber­lins „White Christ­mas“ bis zu „We Wish You a Mer­ry Christ­mas“ sind – sozu­sa­gen als sai­so­na­le Ergän­zung des „Gre­at Ame­ri­can Son­books“ – lau­ter Klas­si­ker dabei, mit einem deut­li­chen Schwer­punkt auf dem ame­ri­ka­ni­schen Reper­toire.

So klas­sisch die Aus­wahl ist, so modern und frisch klin­gen die ideen­rei­chen Arran­ge­ments der drei Arran­geu­re, die mit den Fähig­kei­ten der sechs Eng­län­der bes­tens ver­traut sind: Alex­an­der L’E­stran­ge, Keith Robert und Robert Rice. Deren gewitz­te und abwechs­lungs­rei­che Arran­ge­ments bil­den ein groß­ar­ti­ges Fun­da­ment, auf das die King’s Sin­ger mal swin­gend, mal mit aus­ge­feilt kunst­vol­ler Ernst­haf­tig­keit, aber immer im unnach­ahm­li­chen King’s‑Singers-Sound sin­gend ein wun­der­bar inten­si­ves Weih­nach­ten bau­en. Das „Christ­mas Song­book“ hat genau die rich­ti­ge Mischung aus Bewähr­tem und Neu­em, aus fri­schen Klän­gen und bekann­ten Melo­dien, damit die Weih­nachts­zeit nicht lang­wei­lig wird.

The King’s Sin­gers: Christ­mas Song­book. Signum Clas­sics 2016, SIGCD459. Spiel­zeit: 56:24.

(Zuerst erschie­nen in »Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

Hier gibt’s noch ein Erklär- und Wer­be­vi­deo der Grup­pe:

The King’s Sin­gers Christ­mas Song­book

Beim Kli­cken auf das und beim Abspie­len des von You­Tube ein­ge­bet­te­ten Vide­os wer­den (u. U. per­so­nen­be­zo­ge­ne) Daten wie die IP-Adres­se an You­Tube über­tra­gen.
web (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (9.12.)

Ins Netz gegan­gen am 9.12.:

  • The Late Medieval Christ­mas Feast | Doing Histo­ry in Public → Ele­a­n­or Rus­sell über das spät­mit­tel­al­ter­li­che weih­nachts­fest in eng­land:

    Like today, the most spec­ta­cu­lar and anti­ci­pa­ted part of the medieval Christ­mas was not the Mass, then man­da­to­ry, but Christ­mas feast, an event which offe­red not only an oppor­tu­ni­ty to cele­bra­te the birth of Christ, recon­nect with fami­ly and fri­ends, and eat to burs­t­ing, but also the chan­ce to express social hier­ar­chies and iden­ti­ty.

    To under­stand the rami­fi­ca­ti­ons of the Christ­mas feast, we should view it as much of a per­for­mance as the enter­tain­ments which accom­pa­nied it. Guests who per­for­med admi­ra­b­ly might recei­ve a mark of favour, whilst social sole­cisms, such as start­ing to eat befo­re the host did, could mean dis­grace.

    Like today, the medieval Christ­mas feast was as much about con­sump­ti­on, com­men­sa­li­ty, and social mano­eu­vring as it was about reli­gi­on.

  • „Die­se Sum­me hat man nicht auf der hohen Kan­te“ | bör­sen­blatt → noch so ein ten­den­ziö­ser bericht über ver­la­ge und die vg wort. ich hab‘ immer noch nicht kapiert, war­um die ver­la­ge die vg-wort-ein­nah­men so drin­gend brau­chen. wenn sie so krea­tiv und schöp­fe­risch tätig sind und eige­ne rei­hen ent­wi­ckeln (!) – war­um pas­sen sie die autor­ho­no­ra­re bzw. autorin­nen­be­tei­li­gun­gen an den buch­um­sät­zen in ihren ver­trä­gen nicht ent­spre­chend an? war­um müs­sen sie das ille­gal über die vg wort finan­zie­ren?
  • Intel­lek­tu­el­len-Däm­me­rung |Tages-Anzei­ger → eine ziem­lich gute ver­tei­di­gung (und erklä­rung) des typus „intellektuelle/​r“ und sei­ner not­wen­dig­keit von mar­tin ebel:

    Prüf­stein intel­lek­tu­el­len Enga­ge­ments ist allein, ob es über das eige­ne Inter­es­se hin­aus­geht, ob es das Wohl des Gan­zen im Auge hat. Es geht nicht um eine Cha­rak­ter- oder Mut­prü­fung des Intel­lek­tu­el­len, son­dern um sein Urteils­ver­mö­gen, sei­ne Fan­ta­sie, sei­ne Ori­gi­na­li­tät.

    Intel­lek­tu­el­le sind auch kei­ne Welt­erklä­rer noch gar Pro­phe­ten, denen man blind fol­gen kann. Sie sind aber dazu da, in einer Welt, in der Grup­pen­ego­is­men sich immer stär­ker arti­ku­lie­ren, dar­an zu erin­nern, dass es Wer­te und Inter­es­sen gibt, die über den Eigen­nutz hin­aus­ge­hen – zum Nut­zen aller. Frau­en­rech­te und Mei­nungs­frei­heit, Min­der­hei­ten­schutz und Rechts­si­cher­heit sind sol­che zen­tra­len Wer­te.

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