Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Jahr: 2016 Seite 1 von 16

Altjahresabend

Aus der durch­höhlten Rübe springt die Maus.
Der reife Wind zwingt das Hol­un­derblatt zu tage­langem Purzel­baum -
Die leere Rüben­backe klafft,
Die Tauben peitscht der Wind ans Haus.

Den Bauernpfer­den wächst das Haar wie Moos so dicht.
Das Jahr geht hin. Kein Anfang ist und Ende nicht.
Die Eichel fällt — die Ein­samkeit erschrickt, und Öde schluckt den Ton.
Sie schluckt auch mein­er Sohle Lär­men, sie ver­gaß mich schon.
Wil­helm Lehmann, Alt­jahresabend (1928)

spinnennetz mit tau

Ins Netz gegangen (19.12.)

Ins Netz gegan­gen am 19.12.:

  • ÖPNV der Herzen | fairkehr → das mag­a­zin des vcd stellt möglichkeit­en vor, den öpnv in deutsch­land attrak­tiv­er zu machen (es gibt schon eine erstaunliche menge pilot­pro­jek­te dazu, die aber anscheinend alle isoliert vor sich hin wurschteln …)
  • Der Zürcher Lit­er­aturstre­it vor 50 Jahren: Kehren wir zu Mozart zurück | NZZ → roman buche­li erin­nert in der “nzz” an den zürcher lit­er­aturstre­it, der vor 50 jahren mit der rede emil staigers begann.

    Emil Staiger hat­te die Uni­ver­sität, die Bühne des städtis­chen The­aters und auch das Feuil­leton als die let­zten Boll­w­erke ein­er Kun­st bewahren wollen, die unberührt von den Erschei­n­un­gen verän­dert­er Lebenswel­ten und Zeit­en, aber im Zeichen ewiger Werte ste­hen sollte. Mit sein­er Rede jedoch brachen die Dämme, die er eigentlich zu erricht­en beab­sichtigt hat­te.

    Ein für alle Mal hat­te er die Frage klären wollen, welche Kun­st allein Bestand habe und welch­es ihre Auf­gabe nur sein könne. Seine Dankesrede aber ent­fachte diese Kon­tro­ver­sen erst richtig.

  • Nichts gegen pinke Ein­hörn­er, aber… | Spiegel Online → sibylle berg wet­tert (mit recht!) gegen gegen­dertes spielzeug und den ganzen pinken mäd­chen­wahnsin …
  • Das Schlip­pen­bach Trio auf Win­ter­reise | Jazzzeitung → beim blog der “jazzzeitung” gibt es schöne fotos von der aktuellen “win­ter­reise” des schlip­pen­bach-trios
zeitungen gebündelt

Wir wissen, dass wir nichts wissen

Dies ganzen “Was wir wissen”-Listen und ‑Live-Blogs der Qual­itätsme­di­en sind doch eine einzige erbärm­liche Bankrot­terk­lärung — auch wenn sie für “das Beste, was uns ein­fällt” gehal­ten wer­den. Erstens: Wäre es nicht das Ziel guten Jour­nal­is­mus, über­haupt immer (nur) das zu schreiben, was man (oder eben, wenn man unbe­d­ingt emo­tion­al manip­ulieren will, wir) weiß? Zweit­ens: Wäre es, wenn schon der erste Punkt nur ein Wun­sch, eine Zielvorstel­lung ist, erstrebenswert, wenig­stens in diesen “Was wir wissen”-Texten sich auf Wis­sen zu beschränken — und zwar jour­nal­is­tisch abgesichertes Wis­sen (also zum Beispiel: ordentliche Quellen, von einan­der unab­hängig Quellen (und der Plur­al ist da wichtig))? Ste­fan Nigge­meier hat das bei “Über­me­di­en” schon gut aufgezeigt. Und drit­tens: Wäre es nicht sowieso viel sin­nvoller, mal ein bis drei Gänge zurück­zuschal­ten bei solchen Ereignis­sen? Denn: Wie rel­e­vant ist die per­ma­nente Flu­tung mit (Eil-)Meldungen für die Bevölkerung in Deutsch­land den wirk­lich, ins­beson­dere in den Stun­den direkt nach der Tat? Selb­st “Zeit” und “Süd­deutsche” “unter­hal­ten” ihr Pub­likum den ganzen Tag mit einem kon­stan­ten Strom an Qua­si­nachricht­en. Nur: Ändert sich für die Men­schen denn wirk­lich so viel? Klar, wenn es Hin­weise gäbe, dass es keine Einzeltat war — dann soll und muss natür­lich entsprechend gewarnt wer­den. Aber son­st? Kann man die Polizei nicht wenig­stens zunächst mal ihre Arbeit machen lassen und vernün­ftige Ermit­tlun­gen durch­führen lassen? (Ich bin bish­er gut damit gefahren, nach solchen Ereignis­sen mir selb­st sozusagen eine kurzzeit­ige “Medi­en­quar­an­täne” zu verord­nen. Was über Twit­ter reinkommt, ist schon mehr als genug, da muss ich nicht noch als Klick­vieh dienen … Und tat­säch­lich ist das — auch wenn’s etwas hart klingt — für mein psy­chosoziales Empfinden/Wohlbefinden aus­ge­sprochen dien­lich.) Natür­lich kann — und muss! — diese Arbeit auch jour­nal­is­tisch begleit­et und hin­ter­fragt wer­den. Das heißt aber auch nicht, dass man alles nach­plap­pert, was irgen­dein Polizei- oder Polit­funk­tionär, der mit dem konkreten Fall nichts zu tun hat, ger­ade für mit­teilenswert hält.

Das alles, was ich eigentlich ganz banal unter “jour­nal­is­tis­ches Handw­erk” sub­sum­ieren möchte, hätte nicht nur einen qual­i­ta­tiv­en Vorteil für die Medi­en. Son­dern auch für die Men­schen: Sie müssten sich nicht unnötig ängsti­gen — und dann auch nicht von den gle­ichen Medi­en, die Panik und Furcht ver­bre­it­en (um des Geschäftes willen, offen­sichtlich) ermah­nt zu wer­den, der Angst keinen Raum zu geben …

free music (unsplash.com)

Hineingehört #1

Eine kleine Intakt-Auslese aus dem zweit­en Hal­b­jahr — dank des vortr­e­f­flichen Abon­nements bekomme ich ja immer alle Veröf­fentlichun­gen post­wen­dend geliefert:

Musikalische Monster

musical monsters (cover)Die Musi­cal Mon­sters sind eigentlich gar keine neue Musik. Aufgenom­men wurde das näm­lich schon 1980 bein Jaz­zfes­ti­val Willisau. Dessen Chef Niklaus Trox­ler hat die Bän­der gut aufge­hoben. Und Intakt kon­nte sie jet­zt, nach umständlich­er Rechte­abklärung, endlich veröf­fentlichen. Zu hören ist ein Quin­tett mit großen Namen: Don Cher­ry, Irène Schweiz­er, Pierre Favre, John Tchi­cai und Léon Fran­ci­oli, das es so son­st nicht zu hören gibt. Am erstaunlich­sten fand ich, wie wenig man die 36 Jahre, die die Auf­nahme alt ist, der Musik anhört. Die vier groß­for­mati­gen, größ­ten­teils freien Impro­vi­sa­tio­nen — es gibt ein paar melodisch fix­ierte Anker­punk­te, die als fest­gelegte Scharniere zwis­chen Solo- und Kollek­tivim­prosi­a­tio­nen dienen — klin­gen erstaunlich frisch, ja fast zeit­los: Die intu­itive Spon­taneität und Inten­sität ist ziem­lich fes­sel­nd. Vor allem, weil sie von allem etwas bietet — ver­spielte Fax­en, intime Momente, pack­ende Energien … Und weil die fünf ziem­lich gle­ich­w­er­tige, gle­icher­maßen faszinierende Musik­erin­nen sind, die sich immer wieder zu großen Momenten inner­er Stärke auf­schwin­gen, die in erstaunlich­er Dichte aufeinan­der fol­gen und zuweilen sog­ar echt­es Pathos erzeu­gen. Beson­ders faszinierend fand ich das in der zweit­en Impro­vi­sa­tion, mit über zwanzig Minuten auch die läng­ste, in der sich großar­tige Soli (vor allem Tchi­cai sticht hier her­vor) und span­nende, in ihrer fra­gen­den Offen­heit unge­mein fes­sel­nde Grup­pen­im­pro­vi­sa­tio­nen ballen.

Don Cher­ry, John Tchi­cai, Irène Schweiz­er, Léon Fran­ci­oli, Pierre Favre: Musi­cal Mon­sters. Intakt Records CD 269, 2016. 59:28 Minuten.

Tiefe Gedächtnismusik

deep memory (cover)Für Deep Mem­o­ry hat sich Bar­ry Guy, der die CD im Trio mit Mar­i­lyn Crispell und Paul Lyt­ton auf­nahm, von den Bildern Hughie O’ Donoghues zu Kom­po­si­tio­nen anre­gen lassen. Die sieben Stücke tra­gen die Titel der Bilder: Sleep­er, Dark Days, Fall­en Angeld oder Silenced Music heißen sie etwa. Das sind aber keine musikalis­chen Ekphrasen, son­dern eher Kom­po­si­tio­nen, die sich von dem Bild — seinen Far­ben, sein­er Gestalt und vor allem vielle­icht: sein­er Stim­mung — zu akustis­chen Ein­drück­en inspiri­eren lassen. Vieles davon lässt sich in weit­en Bögen, oft verträumt-ver­spon­nen und/oder nach­den­klich, tra­gen und speist sich nicht unwesentlich aus dem inti­men Zusam­men­spiel des Trios, das ja schon seit gefühlten Ewigkeit­en immer wieder miteinan­der musiziert und der Effek­thascherei aus­ge­sprochen abhold ist. Und das auch auf Deep Mem­o­ry vor allem durch seine kam­mer­musikalis­che Dichte und Inten­sität der far­ben­prächti­gen, ten­den­ziell melan­cholis­chen Klang­malerei gefällt. Die befind­en sich, so hört es sich an, eigentlich immer auf der gle­ichen Wellen­länge, um dieses stra­pazierte, hier aber sehr passende Bild zu benutzen.

Bar­ry Guy, Mar­i­lyn Crispell, Paul Lyt­ton: Deep Mem­o­ry. Intakt Records CD 273, 2016. 52:07 Minuten.

Am großen Rad drehen

christoph irniger pilgrim, big wheel live (cover)Big Wheel Live ist die zweite CD von Christo­pher Irniger Pil­grim, wie der span­nende Sax­o­fon­ist, Kom­pon­ist & Band­leader Irniger sein Quin­tett mit Ste­fan Aeby, Davie Gisler, Raf­faele Bossard und Michi Stulz nen­nt. Auch wenn das “Live” wirk­lich auf Live-Auf­nah­men (in Berlin, Ratze­burg und Altenburg) zurück­ge­ht, klingt die CD richtig gut. Und das ist in sofern beson­ders schön, weil ger­ade Aeby ein sehr klangsin­niger Pianist ist.
Die ganze Musik auf Big Wheel Live zeich­net sich meines Eracht­ens nicht nur durch ihren kraftvollen Sound aus, son­dern vor allem durch ihre Räum­lichkeit und Tiefe. Oft ist das nur lose ver­bun­den, nur lock­er gewebt, gibt so den Fün­fen aber viel Chan­cen zum aus­greifend­en Erforschen. Und der Freiraum zum Erkun­den, die Öff­nung in alle Him­mel­srich­tun­gen wird wei­dlich genutzt: Man hört eigentlich immer eine per­ma­nente Such­be­we­gung, die stets fortschre­it­et, die beim schö­nen Augen­blick ver­weilt, son­dern immer weit­er will — wie es gute impro­visierte Musik eben (fast) immer tut. Neben Aeby, der sich immer mehr zu einem sehr inter­es­san­ten Pianist entwick­eln zu scheint, hat mir hier vor allem die oft sehr span­nende, über­raschende Spiel­weise des Schlagzeugers Michi Stulz gefall­en. Gitar­rist Dave Gisler und Irnigers Sax­ophon umspie­len sich oft sehr eng. Entschei­dend aber in allen sechs Titeln: Das bleibt immer im Fluss, die Ideen ver­sanden eigentlich nie, son­dern find­en immer neue Pfade und Wege.

Christoph Irniger Pil­grim: Big Wheel Live. Intakt Records CD 271, 2016. 62:44 Minuten.

Das unsterbliche Trio

schlippenbach trio, warsaw concert (cover)Vielle­icht ist es das europäis­che Jaz­ztrio schlechthin, sicher­lich wohl das am läng­sten amtierende: Alexan­der von Schlip­pen­bach, Evan Park­er und Paul Lovens sind das Schlip­pen­bach-Trio. Und zwar schon ewig. Und jedes Jahr sind wie wieder unter­wegs (die schöne Film-Doku­men­ta­tion Aber das Wort Hund bellt ja nicht hat die jährliche “Win­ter­reise” des Trios ja sehr anschaulich gemacht), immer wieder in der gle­ichen Beset­zung mit immer ander­er Musik — nicht ohne Selb­stironie nen­nt Schlip­pen­bach das im Beglei­theft deshalb “das unsterbliche Trio”.
Erstaunlich daran ist vor allem, dass es nicht lang­weilig wird, dass diese große Ver­trautheit miteinan­der nicht in Belan­glosigkeit­en mün­det. Auch das War­saw Con­cert ist wieder eine auf­nah­me­tech­nisch und musikalisch gut gelun­gene Live-Auf­nahme vom Okto­ber 2015. Und beim Schlip­pen­bach-Trio heißt das: Eine einzige lange Impro­vi­sa­tion ohne Pausen oder Unter­brechun­gen, ohne Verabre­dun­gen und ohne Kom­po­si­tion — knapp 52 Minuten sind das (dazu kommt noch eine kurze, fast humoris­tis­che Zugabe).
Der erste Ein­druck: Nette Musik — das funk­tion­iert ein­fach, das passt. Und das ist wirk­lich Musik der Frei­heit: Weil sie sich (und dem Pub­likum) nichts (mehr) beweisen müssen. Und: Weil sie viel kön­nen, enorm viel, sowohl alleine mit ihren Instru­menten als auch zusam­men als Trio. Deshalb schöpften sie mit lock­er­er Hand auch in Warschau eine Vielfalt der Stim­mungen. Vieles klingt vielle­icht etwas altersmilde in der Klarheit und dem lyrischen Aus­druck (wenn man das so deuten möchte), stel­len­weise aber dur­chaus auch bohrend und insistierend. Das ist ein­fach aus­geze­ich­neter, gelun­gener, “klas­sis­ch­er” Free Jazz, den man gerne wieder­holt anhört und ver­sucht nachzu­vol­lziehen.

Schlip­pen­bach Trio: War­saw Con­cert. Intakt Records CD 275, 2016. 56:36 Minuten.

Zur Erleuchtung

aeby trio, to the light (cover)Ste­fan Aeby war ja auch schon im Christoph Irniger Pil­grim vertreten, hier ist nun noch ein­mal als “Chef” mit seinem eige­nen Trio zu hören, das aber mit Michi Stulz am Schlagzeug noch eine weit­ere Per­son mit dem Pil­grim-Ensem­ble teilt. To the Light ist eine Musik des Klanges: Ich höre hier nicht so sehr rhyth­misch und/oder har­monis­che Struk­turen, son­dern vor allem Klänge. Klänge, die sich immer wieder zu kleinen Szenen und imag­inären Bildern for­men. Das Trio passt da in dieser Hin­sicht aus­geze­ich­net zusam­men: Nicht nur Ste­fan Aeby am Klavier ist ein biss­chen ein Klang­magi­er, auch der Bass von André Pousaz hat erstaunliche Qual­itäten (beson­ders schön im Titel­stück wahrzunehmen, das sowieso eine ziem­lich großar­tige Sache ist). Und Michi Stulz, mit hal­li­gen Beck­en und eng klin­gen­den Toms zaubert für einen Schlagzeuger erstaunlich flächige Klänge. Das ist ein poet­is­ch­er Sound, eine weiche und wan­del­bare Klanggestalt, die mir aus­geze­ich­net gefällt. Vieles ist (min­destens ten­den­ziell) leicht verträumt und klingt mit roman­tisch-impres­sion­is­tis­chem Ein­schlag, ist dabei aber keineswegs schwind­süchtig, son­dern dur­chaus mit gesun­der Kraft und Potenz musiziert, die aber nie auftrumpfend aus­ge­spielt wird: So klin­gen Musik­er, die sich nichts beweisen müssen, möchte ich ver­muten. Die Musik­er muss man sich wohl immer als lauschende Instru­men­tal­is­ten vorstellen: Vielle­icht ist es ja sowieso ger­ade das (Zu-)Hören, das gute Impro­visatorin­nen (oder Jazzer) aus­macht. Oder, wie es Flo­ri­an Keller im Begleit­text sehr tre­f­fend for­muliert: “Eine Musik, die die Fig­ur des Lausch­ers entste­hen lässt. Und diesem viel Raum für seine Fan­tasie gewährt.”

Ste­fan Aeby Trio: To the Light. Intakt Records CD 274, 2016. xx:28 Minuten.
unter-sensbach, prospekt

Arbeitsplatz (10)

Am let­zten Sam­stag war ich — am Vor­abend des drit­ten Advents — zur Eröff­nung des Wei­h­nachts­markt im Sens­bach­tal, genauer gesagt: in der Dor­fkirche Unter-Sens­bach. Da der Män­nerge­sangvere­in sang, hat­te ich nicht so arg viel tun … Die Kirche, ein Neubau von 1961, hat eine etwas ungewöhn­liche bauliche Lösung für die 1963 erbaute Orgel (an der sich dem Anschein nach seit damals nichts geän­dert hat, noch nicht ein­mal der Motorschlüs­sel …): Die ste­ht in ein­er Nis­che neben dem Altar, an der Rück­wand der Kirche — so hat man als Organ­ist lei­der sehr wenig Kon­takt zur Gemeinde.

spinnenetz mit tautropfen

Ins Netz gegangen (15.12.)

Ins Netz gegan­gen am 15.12.:

  • Kom­men­tar: Adblock­er| Kuketz IT-Secu­ri­ty Blog → mike kuketz nen­nt adblock­er nicht ohne grund “dig­i­tale selb­stvertei­di­gung” — die sind näm­lich der beste weg, die ver­bre­itung von mal­ware einzudäm­men.
  • Frankre­ich: Wenn der Not­stand zur Nor­mal­ität wird | Net­zpoli­tik → seit über einem jahr herrscht nun schon in frankre­ich der aus­nah­mezu­s­tand, der wichtige rechtsstaatliche garantien außer kraft set­zt — und ein ende ist nicht abzuse­hen. und von außen ist das schon lange nicht mehr gren­zw­er­tig, son­dern eben eines demokratis­chen rechtsstaates aus­ge­sprochen unwürdig …
  • Mit Gegen­wartsmusik die Son­der­sphäre ver­lassen | neue musikzeitung → der kom­pon­ist claus-stef­fen mahnkopf möchte den begriff “neue musik” loswer­den und schlägt als ersatz “gegen­wartsmusik” vor:

    Der Begriff neue Musik sagt nichts. Denn gle­ich, wie man zu den Pro­duk­tio­nen stilis­tisch, ide­ol­o­gisch oder geschmack­lich ste­ht, ein ger­ade kom­poniertes, aufge­führtes impro­visiertes, instal­lier­stes „Werk“ ist immer neu, per def­i­n­i­tionem. Der Begriff neue Musik ist irreführend, denn er unter­stellt, dass etwas, was kür­zlich aus der Taufe gehoben wurde, auch etwas Neues bringe. Das ist meis­tens nicht der Fall. Und dass dieses Neue auch die Wichtigkeit begründe. Das ist eben­falls meis­tens nicht der Fall. Die Neuheit kommt sozusagen frei Haus, garantiert, ohne Anstren­gung und – schlim­mer noch – ohne Hin­ter­fra­gung. Der Begriff neue Musik ist ein Armut­szeug­nis.
    […] Die (im weitesten Sinne) kom­ponierte Musik von heute, die in der GEMA als E‑Musik gehan­delt wird, ist somit Kun­st­musik, die aus der Gegen­wart kommt. Sie müsste somit Gegen­wart­skun­st­musik heißen. Oder abgekürzt: Gegen­wartsmusik. Das ist der Begriff, der mir noch am geeignet­sten erscheint.

  • Die Dig­i­talchar­ta – und was wir stattdessen brauchen | irights.info → der anwalt marc pütz-poulalion mit meines eracht­ens guten argu­menten gegen die dig­i­talchar­ta und vorschläge, was stattdessen nötig wäre (im grunde: durch­set­zung und weit­er­en­twick­lung des ein­fachen recht­es anstatt neb­ulös­er grun­drechte …)
  • Paal Nilssen-Love: Auf dem Schoß von Art Blakey | Zeit → tobias lehmkuhl hat für die “zeit” den free-jazz-schlagzeuger paal nilssen-love porträtiert

    Frage zum Schluss: Ob es auch Dinge auf dem Schlagzeug gebe, die er expliz­it anders habe machen wollen als all die anderen Schlagzeuger, die er als Kind in Sta­vanger gehört habe? Nein, das könne man so nicht sagen. Er habe eher alles in sich aufge­saugt und seine eigene Sache daraus gemacht. Musik geht eben durch den ganzen Kör­p­er. Beson­ders die des Schlagzeugs.

basta (bandfoto)

Gute-Laune-Musik von basta

basta, freizeichen (cover)Net­ter­weise sagen die fünf Jungs von Bas­ta gle­ich dazu, was sie machen: Gute-Laune-Musik. Das ist nicht nur ein Songti­tel auf dem neuen Album “Freize­ichen”, son­dern auch die beste Art, das Quin­tett und ihre Musik zu charak­ter­isieren. Gute Laune quillt näm­lich sozusagen aus allen akustis­chen Poren ihrer acht­en CD, die sie in einem Wohnz­im­mer auf dem Land vor den Toren Kölns aufgenom­men haben. Die entspan­nte Atmo­sphäre bei der Entste­hung hat sich hör­bar niedergeschla­gen. Man hat unweiger­lich immer fünf nett lächel­nde junge Män­ner vor dem inneren Auge — manch­mal geht das Lächeln etwas mehr ins Schelmis­che, manch­mal wird es eher iro­nisch. So klingt’s auch: Bas­ta bedi­ent sich hier und da, lässt sog­ar mal ein biss­chen Bossa-Nova-Feel­ing aufkom­men. Die Haupt­sache aber ist: Es klingt immer schön eingängig, leicht und zugänglich. Und manch­mal schre­it das ger­adezu nach Live-Auf­führung: “Ich Bass” zum Beispiel, bei dem Arndt Schmöle zeigen kann, was so ein Bass drauf hat, aber auch “Nachkom­men” sind Songs, die auf der CD ihr Poten­zial nur andeuten kön­nen.

Anderes zün­det dage­gen auch hier. „Gute-Laune-Musik“ nimmt die ein­fachen Pop-Hit-Rezepte mit stampfen­d­em Beat und um jeden Preis eingängi­gen Refrains schön aufs Korn. „Ein kleines biss­chen Hass“ ist eine schöne Pophymne gegen das Unter­drück­en eigen­er Gefüh­le. Und mit „Buhne 4“ ist auch eine richtig schwärmerisch-sehn­süchtige Liebes­bal­lade als „Sehn­suchtss­in­fonie“, wie es im Text heißt, mit dabei. Es geht dann auch immer wieder leicht zeit- und kul­turkri­tisch zu – schon gle­ich beim Open­er “Offline”, der das Offline-Gehen als das “let­zte Aben­teuer” gegen die Onli­ne­sucht stellt, oder beim musikalisch sehr mitreißen­dem “Sodom und Gomera”, das die Auswüchse des Pauschal­touris­mus mit frech­er Zunge vor­führt.

Bas­ta sind eben ganz schön aus­ge­fuchst, rou­tiniert und smart. William Wahl, der mit ein wenig Hil­fe bei den Arrange­ments von Oliv­er Gies, fast alleine für Texte und Musik zuständig ist, hat sich viele nette Details ein­fall­en lassen. Ins­ge­samt wirkt „Freize­ichen“ aber etwas atem­los, Schlag auf Schlag fol­gt hier immer mehr von fast dem Gle­ichen. Das ist alles ohne Frage auf gle­ichem, hohen Niveau. Aber kaum ein Song sticht wirk­lich her­aus. Alle sind sie zweifel­los gut gemacht, haben nette Ideen und feinen Witz, geschick­te Arrange­ments und wer­den aus­geze­ich­net gesun­gen.

So klingt das ganze “Freize­ichen” aus­ge­sprochen geschmei­dig, bleibt dabei aber auch etwas ober­fläch­lich. Das ist alles so eingängig, dass man sich bei jedem Song sofort zu Hause fühlt. Aber lei­der sind sie auch schnell wieder aus den Ohren und aus dem Sinn. Bas­ta macht auf “Freize­ichen” eigentlich nichts verkehrt, tech­nisch und sän­gerisch sowieso nicht. Aber den­noch gibt es eher wenig, was so richtig voll begeis­tert und Zus­tim­mung erzwingt. Aber immer­hin hat Bas­ta damit viel Mate­r­i­al für großar­tige Live-Konz­erte.

Bas­ta: Freize­ichen. The Record Com­pa­ny 2016. Spielzeit: 47:42.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

netzgebilde (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (12.12.)

Ins Netz gegan­gen am 12.12.:

the king's singers (gruppenbild)

Das Weihnachtsliederbuch der King’s Singers

the king's singers, christmas songbook (cover)Mehr als zehn Jahre nach ihrem let­zten Wei­h­nacht­sal­bum gibt es endlich das neue “Christ­mas Song­book” der King’s Singers. Das bietet eine knappe Stunde tra­di­tionelle und mod­erne Wei­h­nacht­slieder: Von “Stille Nacht” und Gus­tav Hol­sts “In the Bleak Mid­win­ter” über Irv­ing Berlins “White Christ­mas” bis zu “We Wish You a Mer­ry Christ­mas” sind — sozusagen als saisonale Ergänzung des “Great Amer­i­can Son­books” — lauter Klas­sik­er dabei, mit einem deut­lichen Schw­er­punkt auf dem amerikanis­chen Reper­toire.

So klas­sisch die Auswahl ist, so mod­ern und frisch klin­gen die ideen­re­ichen Arrange­ments der drei Arrangeure, die mit den Fähigkeit­en der sechs Englän­der bestens ver­traut sind: Alexan­der L’Es­trange, Kei­th Robert und Robert Rice. Deren gewitzte und abwech­slungsre­iche Arrange­ments bilden ein großar­tiges Fun­da­ment, auf das die King’s Singer mal swin­gend, mal mit aus­ge­feilt kun­stvoller Ern­sthaftigkeit, aber immer im unnachahm­lichen King’s‑Singers-Sound sin­gend ein wun­der­bar inten­sives Wei­h­nacht­en bauen. Das “Christ­mas Song­book” hat genau die richtige Mis­chung aus Bewährtem und Neuem, aus frischen Klän­gen und bekan­nten Melo­di­en, damit die Wei­h­nacht­szeit nicht lang­weilig wird.

The King’s Singers: Christ­mas Song­book. Signum Clas­sics 2016, SIGCD459. Spielzeit: 56:24.

(Zuerst erschienen in »Chorzeit – Das Vokalmagazin« No. 33, Dezem­ber 2016.)

Hier gibt’s noch ein Erk­lär- und Wer­be­v­ideo der Gruppe:

The King’s Singers Christ­mas Song­book

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.
web (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (9.12.)

Ins Netz gegan­gen am 9.12.:

  • The Late Medieval Christ­mas Feast | Doing His­to­ry in Pub­lic → Eleanor Rus­sell über das spät­mit­te­lal­ter­liche wei­h­nachts­fest in eng­land:

    Like today, the most spec­tac­u­lar and antic­i­pat­ed part of the medieval Christ­mas was not the Mass, then manda­to­ry, but Christ­mas feast, an event which offered not only an oppor­tu­ni­ty to cel­e­brate the birth of Christ, recon­nect with fam­i­ly and friends, and eat to burst­ing, but also the chance to express social hier­ar­chies and iden­ti­ty.

    To under­stand the ram­i­fi­ca­tions of the Christ­mas feast, we should view it as much of a per­for­mance as the enter­tain­ments which accom­pa­nied it. Guests who per­formed admirably might receive a mark of favour, whilst social sole­cisms, such as start­ing to eat before the host did, could mean dis­grace.

    Like today, the medieval Christ­mas feast was as much about con­sump­tion, com­men­sal­i­ty, and social manoeu­vring as it was about reli­gion.

  • “Diese Summe hat man nicht auf der hohen Kante” | börsen­blatt → noch so ein ten­den­z­iös­er bericht über ver­lage und die vg wort. ich hab’ immer noch nicht kapiert, warum die ver­lage die vg-wort-ein­nah­men so drin­gend brauchen. wenn sie so kreativ und schöpferisch tätig sind und eigene rei­hen entwick­eln (!) — warum passen sie die autorhono­rare bzw. autorin­nen­beteili­gun­gen an den buchum­sätzen in ihren verträ­gen nicht entsprechend an? warum müssen sie das ille­gal über die vg wort finanzieren?
  • Intellek­tuellen-Däm­merung |Tages-Anzeiger → eine ziem­lich gute vertei­di­gung (und erk­lärung) des typus “intellektuelle/r” und sein­er notwendigkeit von mar­tin ebel:

    Prüf­stein intellek­tuellen Engage­ments ist allein, ob es über das eigene Inter­esse hin­aus­ge­ht, ob es das Wohl des Ganzen im Auge hat. Es geht nicht um eine Charak­ter- oder Mut­prü­fung des Intellek­tuellen, son­dern um sein Urteilsver­mö­gen, seine Fan­tasie, seine Orig­i­nal­ität.

    Intellek­tuelle sind auch keine Wel­terk­lär­er noch gar Propheten, denen man blind fol­gen kann. Sie sind aber dazu da, in ein­er Welt, in der Grup­pene­go­is­men sich immer stärk­er artikulieren, daran zu erin­nern, dass es Werte und Inter­essen gibt, die über den Eigen­nutz hin­aus­ge­hen – zum Nutzen aller. Frauen­rechte und Mei­n­ungs­frei­heit, Min­der­heit­en­schutz und Rechtssicher­heit sind solche zen­tralen Werte.

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