Aus meinem Mailwechsel mit dem Polizeipräsidum Südhessen:
Zu Ihrer Anfrage zur Möglichkeit eines elektronisch sicheren Kommunikationsweges, z.B. mit PGP-Signaturen, können wir folgendermaßen Stellung nehmen:
Aus IT-sicherheitstechnischen Gründen ist es derzeit nicht möglich, derartige in das Polizeinetz eingehende E‑Mails zustellbar zu machen. Grundsätzlich entwickeln die jeweiligen Fachdienststellen für die IT-Sicherheit jedoch alle Fachverfahren – darunter auch Exchange/E‑Mail – fortlaufend weiter.
Aus sicherheitstechnischen Gründen ist es nicht möglich, sicher zu kommunizieren. Das ist der Technologiestandort Deutschland. (Mal abgesehen davon, dass es zeigt, wie ernst die Sicherheitsbehörden die Kommunikation mit den Bürgern nehmen.)
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Albert Ostermaier: Schwarze Sonne scheine. Berlin: Suhrkamp 2012. 288 Seiten
Ein schöner Text über die Zeit zwischen Leben und Sterben, der vor allem von der reichen Welt der Gedanken lebt. Handlung gibt es wenig, dafür viel Überlegen, viel Erinnern und viel Selbstbefragung: Ostermaiers Roman lebt von seinen Aus- und Abschweifungen. Das klingt jetzt trockener, als es wirklich ist. Denn für den Protagonisten, der auf verschlungenen Wegen die Diagnose einer wahrscheinlich tödlichen Infektionskrankheit erhält (es sei denn, er unterzieht sich einer sehr obskuren Therapie) geht es eben wirklich um Leben um Tod, um sein bisheriges Leben, sein momentanes und darum, wie er in den Tod geht oder mit ihm umgeht oder ihm vielleicht enflieht. Dass sich dann herausstellt, dass die Ärztin eine Scharlatanin ist, von Krankheit nichts zu spüren ist und alles nur als eine Art Verschwörung scheint, ist dann fast enttäuschend – denn der Text, der sehr durch seine bewusste Sprachlichkeit lebt, hätte so einen etwas schablonenhaften Plot vielleicht gar nicht benötigt
Ich hatte nicht verstanden, dass alles zu Literatur werden konnte, und gedacht, alles sei nichts, das nicht Literatur sei. (30)
Die Zeit geriet mir aus dem Denken, dem Fühlen, dem Schauen, ich konnte nicht aufhören zu denken, konnte mich nicht ablenken, nicht vergessen. (163)
Ein wunderbares kleines Bändchen, das zeigt, wie großartig postmodern-dekonstruktivistische Analyse sein kann. Dazu gehört auch der entsprechende postmoderne Stil – auf den muss man sich einlassen (wollen), sonst wird das keine Spaß. Drei Essays versammelt Schestag hier: Zu einem Gedicht von Paul Celan, zu Baudelaire und Poe und ihrem (Übersetzer-)Verhältnis und zu einem Drogenversuch Walter Benjamins, der für das „Kritzeln“ sorgt. Beeindruckt hat mich vor allem die Untersuchung von Paul Celans Gedicht. Das ist kurz und scheinbar recht unproblematisch:
Jetzt, da die Betschemel brennen, eß ich das Buch mit allen Insignien.
An diesen wenigen Zeilen und Wörtern exerziert Schestag die dekonstruktivistische Methode (falls man das so nennen kann …) geradezu exemplarisch durch – und schöpft daraus erstaunliche Einsichten. Da gibt es einige verblüffende, überraschende, aber durchaus einleuchtende Einblicke in den weiten Bedeutungsraum, den diese vier Zeilen mit den gerade mal 12 Wörtern eröffnen (können) … Man muss dem Autor da sicherlich nicht in jede Verästelung folgen – aber es ist eine intellektuelle Freude, es zu tun. Der zweite Essay zu Baudelaire und Poe bietet interessante Überlegung zur Intertextualität, vor allem zum „Pausen“ (im Sinne von Durchpausen, von Ab-Schreiben etc) als primären (?) Schreibakt. Interessant fand ich hier vor allem die allgemeineren Überlegungen, weniger (für mich) die Ausführungen zum konkreten Verhältnis von Baudelaire und Poe (dafür kenne ich beide zu wenig).
Finnisches Feuer ist eine sehr unterhaltsame Lektüre. Dabei ist es eigentlich eine Dystopie: Die Geschlechterklischees wurden inzwischen noch weiter verabsolutiert und sogar in gewisser Weise „verstaatlicht“. Im Namen der gesellschaftlichen Gesundheit, die zur Tyrannis wurde (und natürlich die Frauen noch weiter entmündigt als die Männer) sind die Frauen zu „Eloi“ domestiziert worden. Chilli – das „Feuer“ – bzw. Capsaicin ist in dieser Gesundheitsdiktatur zwar auch schon verboten, aber als einzige Droge, als einziges Suchtmittel überhaupt noch halbwegs zu bekommen. In einer schönen Montage aus Gesetzen, Anweisungen, Märchen, Briefen an die verschwundene Schwester und der Erzählung Vannas und Jares hat Sinisalo daraus eine unterhaltsame und interessante Parabel des Beziehungskapitalismus geschrieben, in der Chili als eine Art Religio oder Befreiungstheologie dient – trotz des ganzen Feuers ein sehr cooles Buch!
Manchmal braucht man nur eine Gruppe von Leuten, die laut und einflussreich genug ist, um die Welt so zu verändern, wie die Mitglieder dieser Gruppe es wollen. Die Gruppe muss nicht besonders groß sein. Es genügt, wenn einige Leute ihre eigenen persönlichen Vorlieben zur einzigen Wahrheit erklären und mit ihrer Lautstärke den Eindruck entstehen lassen, dass hinter ihnen Massen von Vergessenen und Missachteten stehen. (239)
Kurt Oesterle: Der Wunschbruder. Tübingen: Köpfer und Meyer 2014. 533 Seiten
Der Wunschbruder ist ein (übermäßig) langes Buch voller Volten. Dabei ist die Geschichte eigentlich gar nicht übermäßig kompliziert: Es geht um Max Stollstein, ein wohl behütetes Einzelkind im beschaulichen dörflichen Nachkriegs-Baden-Württemberg. Weil er eben das einzige Kind seiner Eltern – der Vater ist Schreiner – bleibt, soll/darf er die volle Ladung des bundesrepublikanischen Bildung mit all ihren Aufstiegs-Implikationen genießen. Zur Geschichte gehört aber auch Wenzel, Kind einer zerrütteten Aussiedlerfamilie, der dann eben Wunschbruder – und beinahe Adoptivbruder – wird. Und dann geht es noch weiter und weiter – das alles wird erzählt in der Rückschau des älteren Max, der auf einmal wieder Wenzel begegnet. Und da kommen sie eben in immer neuen Schüben, die Volten in die Vergangenheit, in die Erinnerung des Ich-Erzählers (der von (fast) keinen Erinnerungsproblemen getrübt ist). Dementsprechend wird eigentlich alles nur berichtet, fast nichts passiert, alles – quasi das ganze Leben – gibt es nur im Rückblick, im Erinnern: Ein Leben in der Vergangenheit. Nach der Austreibung aus der Heimat ist es das Wühlen in der Geschichte, das an ihre Stelle tritt. Erzählerisch (und auch sprachlich) fand ich das aber recht unergiebig – nur auschweifend, umständlich, hypergenau, alles wird immer bis ins Letzte auserzählt und wieder und wieder durchdekliniert und vorgekaut. Das entmüdigt den Leser in gewisser Weise, lässt ihm keine Arbeit, keine Vorstellung mehr. Das liegt aber weder am Umfang noch an der Detailversessenheit, sondern an der mangelnden Poesie der Sprache – wie es mit ähnlichen Themen besser geht, zeigt Peter Kurzeck.
Du kennst eben den wahren Wert deiner Geschichte nicht, den Erzähl- und Erfahrungswert, gewissermaßen ihren Goldgeahlt – aber die meisten Menschen heutzutage kennen diesen Wert ihrer Geschichte nicht und wissen ihn darum auch nicht zu schätzen; einen Wert vermuten sie nur in den Geschichten von deren: denen, die jeden Tag öffentlich vorgeführt werden, im Netz, im Fernsehen, in der Presse … (227)
Wenn ich ein Gedicht auswendig konnte, dann hatte ich es besiegt und beherrschte es. Dieses Gedicht [Celans Todesfuge], das spürte ich gleich, wollte nicht beherrscht werden und wies mich ab wie kein zweites. Nicht ein einziges Gefühl, das ich kannte, war darin enthalten. (484)
Dieter Westerhoff: Ein schöner Tag. Reinbek: Rowohlt 1969. 151 Seiten
Der Klassiker des „Neuen Realismus“. Und trotzdem konnte mich das 1966 erstmals erschienen Ein schöner Tagnicht so recht fesseln oder begeistern. Es gibt zweifellos große Momente, in denen Wellershoff zeigt, wie genau er beobachtet hat und wie sorgfältig er beschreibt, seine Figuren wahrnehmen und erkennen lässt. Im Gedächtnis geblieben ist mir etwa die Episode im achten Kapitel, in dem Günther einer Frau ins Freibad folgt und versucht, sich ihr anzunähern – was einserseits gelingt, andererseits total in die Hose geht. Da steckt wirklich unheimlich viel Realität drin, das ist leicht zu erkennen und nachzuvollziehen. Unklar bleibt mir dagegen noch der eigentliche Kern des Romans: Will Wellershoff hier nur die Dysfunktionalität des Modells (Kern-)Familie vorführen? Oder will er dem Leser mehr sagen? Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass nur Misslingen gezeigt wird, dass nur negative Elemente, scheiternde Lebensentwürfe und Beziehungsunfähigkeiten, gezeigt werden, positive Ideen oder Entwicklungen dagegen eigentlich überhaupt nicht vorkommen: Die (gesellschaftliche und ästhetische) Kritik ist also klar – aber was soll an die Stelle der defizitären Gegenwart und ihrer Realität treten?
Thomas Glavinic: Das bin doch ich. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2010. 238 Seiten.
Das ist ein sehr lustigses, amüsantes kleines Büchlein. Glavinic taucht hier gleich selbst als Erzähler, Hauptfigur und Autor auf, als Schrifsteller, der zwischen (mäßigem) Erfolg und Scheitern taumelt oder hängt, sich zugleich auch noch mit seiner Hypochondrie und dem Familienleben mit Kleinkind herumschlagen muss. Dazu noch etwas Literaturbetriebsbeschreibung der Wiener Variante, etwas groteske Begegnungen im Kultur- und Medienwesen sowie die Freundschaft mit Daniel Kehlmann, dessen Buch gerade alle Erfolgsgrenzen überschreitet – und fertig ist die Mischung aus Groteske, Satire und lakonischer Selbstbeobachtung, die beim Lesen viel Spaß macht …
Marlene Streeruwitz als Nelia Fehn: Die Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland. Frankfurt: Fischer 2014. 188 Seiten.
Manchmal schaut überleben eben nicht schön aus, und Helden sind immer schon tot, wenn sie Helden genannt werden. (33)
Sehr positiv sind weder das Buch noch seine „Heldin“, die Autorin Nelia Fehn. Die kennt man schon aus Streeuwitz‘Nachfahren., in dem sie wegen eben dieses Buches oder Textes, der Reise einer jungen Anarchistin in Griechenland nach Frankfurt zur Buchpreisverleihung kommt. Eigentlich ist es auch ein recht seltsames Büchlein – und nicht nur wegen der Autorenfiktion, die es auf ganz spezielle Weise in das Streeruwitz-Werk eingliedert (ähnliches hat sie ja schon bei Lisa’s Welt unternommen) -, sondern auch in seiner ganzen Gestalt. Interessant wird es nämlich eben nur durch die Verknüpfung im Streeruwitz-Werk-Kontext. Für sich ist das sprachlich mäßig spannend, inhaltlich fand ich es auch nur so halb interessant: der „Kampf“ mit/gegen die Macht, die unsichtbaren polititischen/exekutiven Mächte des Staates und des Zufalls, der immer wieder das Zusammentreffen der beiden Liebenden in Athen verhindert bzw. verzögert und erschwert – das ist schnell durchschaut und vermag dann nur noch mäßig zu faszinieren. Allerdings ist der Text ja auch nicht übermäßig lang …
Es war nur eine dieser Lügen. Es war eine dieser Lügen, von denen ohnehin alle wussten, dass sie Lügen waren. Man musste nur das Kleingedruckte durchstudieren, um zu einer gewissen Wahrheit zu gelangen, und man durfte kein Vertrauen haben. […] Am Ende kosteten alle diese Übergriffe die Liebe. Mir war elend, und ich hatte Angst. (23f.)
außerdem noch:
Steffen Popp: Dickicht mit Reden und Augen. Berlin: kookbooks 2013.
Edit. Papier für neue Texte. #65 (2014)
Günter Herburger: Ventile. 1966
Judith C. Vogt & Michael Kuhn (Hrsg.): Karl. Geschichten eines Großen. Aachen: Ammianus 2014.
Philipp Theisohn: Literarisches Eigentum. Zur Ethik geistiger Arbeit im digitalen Zeitalter. Stuttgart: Kröner 2012 (Kröner Taschenbuch 510).
Krämer und der VDS reduzieren mit erstaunlichem statistischen Missverstand einen bunten Obstsalat auf einen kargen Erdnusskrümel. Aber das mit der Typen-Token-Unterscheidung hat man beim VDS ja schon mit Anglizismen nicht verstanden.
An outfit calling itself the International Journal of Advanced Computer Technology is offering to print “research” that is just a rant full of very bad language.
Die Bilanz ihres ersten Amtsjahres ist desaströs: Sie blieb in allen Diskussionen zurückhaltend und konnte in bald einem Jahr im Amt keinerlei Akzente setzen, was schon fast als Leistung anzusehen ist, da doch jede Woche eine neue heikle Datenproblemlage die Gemüter bewegt.
Der eingebaute Interessenskonflikt zwischen einem Schnüffeldienst, der den verdeckten Computereinbruch als selbstverständliches Mittel seiner Arbeit betrachtet und dazu auf möglichst lange unentdeckte Schwachstellen angewiesen ist, und dem konkreten Interesse der Öffentlichkeit, der Behörden und der Wirtschaft an sicheren und funktionsfähigen IT-Systemen ist evident. Die Frage, ob das die richtige Strategie ist, muss erörtert werden und auf die Tagesordnung der Politik: Soll ein Dienst, der nach dem, was bisher im NSA-Untersuchungsausschuss bekanntgeworden ist, kaum mehr als eine deutsche Filiale der NSA ist, sein offenkundig verqueres Spiel weitertreiben dürfen und damit den berechtigten Interessen aller, die mit den Netzen arbeiten und leben, zuwiderhandeln?
Der eingebaute Interessenskonflikt zwischen einem Schnüffeldienst, der den verdeckten Computereinbruch als selbstverständliches Mittel seiner Arbeit betrachtet und dazu auf möglichst lange unentdeckte Schwachstellen angewiesen ist, und dem konkreten Interesse der Öffentlichkeit, der Behörden und der Wirtschaft an sicheren und funktionsfähigen IT-Systemen ist evident. Die Frage, ob das die richtige Strategie ist, muss erörtert werden und auf die Tagesordnung der Politik: Soll ein Dienst, der nach dem, was bisher im NSA-Untersuchungsausschuss bekanntgeworden ist, kaum mehr als eine deutsche Filiale der NSA ist, sein offenkundig verqueres Spiel weitertreiben dürfen und damit den berechtigten Interessen aller, die mit den Netzen arbeiten und leben, zuwiderhandeln?
Die Berliner Humboldt-Universität lässt 50.000 wertvolle Bücher vergammeln. Schuld ist ein Loch in der Decke. Die Bände sollen jetzt vernichtet werden. Eine bibliophile Tragödie.
Kinder und Jugendliche werden heute so stark umsorgt wie keine Generation vor ihnen. Was passiert, wenn sie mal völlig auf sich allein gestellt sind? Eine Berliner Schule wagt ein außergewöhnliches Experiment.
wunderbar cool: Annie Ross singt „Twisted“ – und „Everyday I Have The Blues“ – mit Count Basie:
ANNIE ROSS sings Twisted and Everyday I Have The Blues 1959
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Die Hintermänner dieses Blatts voller Selbstmörder- und Raubersgeschichten – von dem allerdings kein Exemplar erhalten ist – blieben bislang im Verborgenen; dank eines Zufallstreffers im Niederösterreichischen Landesarchiv kann ich nun ein Mosaiksteinchen zu ihrer Geschichte hinzufügen
Es ist natürlich richtig, zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die schlimmen Seiten der DDR noch einmal in Erinnerung zu rufen. Aber gleich Wolf Biermann?
Vor Donaueschingen: Ein Gespräch mit Armin Köhler | nmz – neue musikzeitung – Was denkt der Macher der Donaueschinger Musiktage über sein Programm, über Vorheriges. die Gegenwart und über die Zukunft: Das Wort „und“ war dieses Jahr ein Verbindendes – und ein Klärendes: Armin Köhler im Gespräch mit nmz-Herausgeber Theo Geißler.
Ein Journalist darf nicht nur parteiisch, sondern sogar Aktivist sein. Letzteres darf nur nicht dazu führen, dass er Qualitätsgrundsätze über Bord wirft oder gar die „eigenen“ Leute schont. Dann wird aus Parteilichkeit dumpfer „Parteijournalismus“.
Auf den offiziellen Linuxrechnern werden derzeit Funktionalitäten aus Sicherheitsgründen beschnitten, zum Beispiel sind USB-Ports und CD-Laufwerke deaktiviert. Das bringt Frustration, laut unseren Informationen führt das unter anderem dazu, dass man auf den Wachen nicht ohne Weiteres Überwachungsvideos auswerten kann. Die Lösung lag aber keineswegs darin, die Prozesse umzugestalten, nein: Es wurden Windows-PCs aufgestellt, die derartige Sicherheitsbeschränkungen nicht aufweisen. Es scheint gekonnt ignoriert zu werden, dass man hier ein Problem nicht löst, sondern auf fahrlässige Weise wegignoriert. Und das bequeme Anschauen von Überwachungsvideos wird offensichtlich über den verantwortungsvollen Umgang mit den Systemen gestellt.
… und die sind dann für „cyberkriminalität“ zuständig …
wunderschön: Christoph Rousset spielt Bachs Englische Suite in e‑moll:
Christophe Rousset, Bach English Suite in E minor BWV 810
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Es ist wahr: so wenig der Mensch ohne Speise und Tranck seyn kan /so wenig kan er auch ohne Bücher oder etwas dergleichen zur Erkenntniß der Wahrheit und Tugend kommen.
— Christian Thomasius, Monatsgespräche V (1689), S. 1155.
Wenn Oliver Gies seinen Wunschzettel selbst abarbeitet, dann dürfen sich die Chöre und ihre Chorleiterinnen freuen: Denn dann gibt es feine neue Musik. Das gilt natürlich auch für das Chorheft „Wunschzettel. Neue Weihnachtslieder für gemischten Chor“, in dem Gies das aufgeschrieben hat, was er an Weinhanchten selbst gerne hören (und singen) würde. Trotz des Untertitels haben sich dann doch drei traditionelle Weihnachtslieder in das neun Songs starke Heft eingeschlichen. Die sind allerdings von Oliver Gies einer Generalüberholung unterzogen worden, so dass sie durchaus wieder (oder noch) als neu durchgehen können: „Es kommt ein Schiff geladen“, „Hört der Engel helle Lieder“ und „Josef, lieber Josef mein“, das neben dem vierstimmigen Chor auch noch zwei Solisten benötigt, mussten ihren Staub und zumindest teilweise auch ihre Tradition aufgeben und sich ein neues Klanggewand überstülpen lassen. Eine Frischzellenkur nennt der Arrangeur das – und frisch klingen sie tatsächlich, die alten Lieder. Am deutlichsten wird das bei „Es kommt ein Schiff geladen“, das viel von seiner altertümlichen Fremdheit verloren hat: Die Melodie wurde rhythmisch überholt und die Harmonik radikal modernisiert. Vor allem aber hat Gies in seinem Arrangement mit etwas Klangmalerei jeder Strophe und den kurzen Zwischenstücken einen jeweils eigenen Charakter verpasst, der dem Text – den wogenden Wellen, dem sicheren Hafen und dem Erlöser (der natürlich im reinen Dur erscheint) – ganz treu entspricht.
Frisch klingen aber auch die neuen Lieder von Oliver Gies eigentlich durchweg. Am wenigsten vielleicht „Der alte Mann“, in dem Gies recht ausführlich Glockenklänge verarbeitet und den alten Mann und die Zuhörer eine harmonisch Festmesse erleben lässt. Schick ist auch die „Weise aus dem Morgenland“, deren Titel nicht ganz unabsichtlich doppeldeutig zu lesen ist, denn hier geht es um die Heiligen Drei Könige. Die präsentieren sich hier nicht nur mit einer orientalisch klingenden Melodie, sondern vor allem als ausgesprochen reisemüde Könige, mürrisch und gereizt – und müssen ohne ein Happy End auskommen. Das ist in diesem Heft aber selten, denn Freude und Fröhlichkeit herrschen natürlich auch dann vor, wenn Auswüchse des Weihnachtsfests thematisiert werden wie die Hektik des Geschenkekaufens in „Weihnachtslieder singen“ oder die kulinarische Völlerei bei „Happy Meal“. Das ist trotz seines Titels ein gut-deutsche Angelegenheit, mit Wildschweinbraten, Schnitzel und natürlich der unvermeidlichen Weihnachtsgans – kein Wunder, dass der ganze Chor da stöhnt: „heute gibt es alles und von allem zu viel“. Für den „Wunschzettel“ gilt das freilich nicht: Zu viel gibt es hier bestimmt nicht. Im Gegenteil, das Konzept schreit geradezu nach einer Fortsetzung. Denn die Kompositionen und Arrangements von Oliver Gies bieten nicht nur dem Publikum Unterhaltung, sondern auch Abwechslung für alle vier Stimmen – die sich übrigens, da war der Arrangeur pragmatisch, mit geringen (jeweils vermerkten) Änderungen auch auf SSAB verteilen dürfen. Das Rad wird dafür nicht neu erfunden, aber auch mit bloßer akustischen Hausmannskost gibt sich Gies auch nicht zufrieden: Alle Sätze zeichnen sich durch ihr Einfühlungsvermögen in die jeweils eigene klangliche Gestalt aus, sind aber nie überfrachtet mit „Einfällen“. Zumal den „Wunschzettel“ zwar sicher nicht jeder Chor vom Blatt singen können wird, die technischen Herausforderungen im Gegenteil zum klanglichen Ergebnis aber trotzdem mäßig sind.
Oliver Gies: Wunschzettel. Neue Weihnachtslieder für gemischten Chor. Bosse 2014. BE 495. (zuerst erschienen in „Chorzeit – Das Vokalmagazin“, Ausgabe 11/2014)