Arezu Weitholz: Wenn die Nacht am stillsten ist. München: Antje Kunstmann 2012. 224 Seiten.
Wenn die Nacht am stillsten ist soll wohl so etwas wie ein Abgesang auf die Popliteratur sein. Als solcher ist es aber schwach. Interessant ist die darin erzählte Beziehungsgeschichte: Die Beziehung der Erzählerin zu Ludwig, die gerade endete, und die zu ihrer Nutter, die zu enden droht – mit dem Tod. Da geht es dann irgendwie um die Frage: Kann man postmodern-theoretisch klug sein und trotzdem fühlen/lieben, in Beziehung, Liebe, Leben wahrhaftig sein? Dazwischen gibt es – die Referenz auf die Popliteratur lässt grüßen – haufenweise mehr oder minder schlaue und raffinierte Anspielungen, im Gegensatz zum Original aber keine Ironie. Leider kommen der Autorin immer wieder Sentenzen in den Weg, von den sie sich offenbar nicht trennen mochte – da wird des dann manchmal etwas platt und klischeebeladen: Sätze wie „Ich will wahr sein.“ (155) sind irgendwie doch immer peinlich. Am besten gefiel mir der erste Teil – „Die Nacht“ überschrieben -, der auch erzähltechnisch vom eher banalen, oft ungenau erzählten Rest positiv unterschieden ist.
„Am Ende geht es um den Moment.“ (9 & 223) behauptet der Text am Anfang und Schluss – aber eigentlich stimmt das gar nicht, es geht eben selbst dem Text schon immer um mehr, das mit dem Moment klappt ja gerade nicht.
Carl-Christian Elze: ich lebe in einem wasserturm am meer, was albern ist. Wiesbaden: luxbooks 2013 (luxbooks.labor). 112 Seiten.
Ein schöner Gedichtband aus dem kleinen, feinen Wiesbadenen luxbooks-Verlag. Bei Elze geht es um das „Ich“. Und zwar schon ganz banal und offensichtlich: Ich ist fast immer schon im ersten Vers präsent, oft sogar als erstes Wort). Das „Ich“ ist hier offenbar eines, das viel zu viel weiß und reflektiert ;-), aber trotzdem authentische Stimme bleibt: wissend, aber fühlend – Eine Kombination, die recht selten (geworden) ist in der deutschsprachigen Lyrik, da pendelt das meistens zu einer der beiden Seiten. Sollbruchstellen sind in diesem Konzept aber manchmal durchaus erkennbar: das ist nicht Lyrik, die hermetisch gegen alle Angriffe gewappnet ist – im Gegenteil, sie zeigt sich offen und durchaus auch verletzlich. Definitiv nicht ganz meine Sache ist die sehr deutliche Prosanähe der Langzeilen.
Typischerweise geht es um das ewige, freundlich-obsessive Ich, das fast ununterbrochene „ich bin …“ macht das deutlich. Das „Ich“ ist hier eine ganze Menge, u.a. ein Monster und ein Atomkraftwerk …). Wie schon im Titel (der ein vorkommender Vers ist) wird dieses „ich bin“ gerne mit einem „… was ist“ kombiniert. Offenbar soll nicht nur über das Ich (über das Subjekt und seine Brüchigkeiten, seine Konstitutionsprobleme) gesprochen werden, sondern auch das Wort immer und immer wieder gesagt werde – bis es nicht nur seine Bedeutung verloren hat, sondern auch als Wort bedeutungslos geworden ist, weil es in so unzähligen Varianten, Beschreibungen und Metaphern immer wieder neu versucht wird (aber, das ist typisch für Elze: das bleibt (fast) immer heiter, dieses letztlich doch brutale und weit gehende Scheitern, das wird nicht dunkel, depressiv oder aggresiv, sondern freundlich, fast unbeschwert, etwas schweifend und einfach weiter suchend – bis kurz vor Schluss des übrigens schön gestalteten Bandes.
Schönheiten gibt es hier einige, aber manchmal erscheinen die mir zumindest beim ersten Lesen etwas undiszipliniert, nicht ganz fertig ausgearbeitet.
ich paddel in den lüften herum nach ein paar wahren worten (38)
Julia Schoch: Selbsporträt mit Bonaparte. München, Zürich: Piper 2013. 142 Seiten.
Ein kurzer Text, aber durchaus ein starker, dieses Selbsporträt mit Bonaparte von Julia Schoch. Und ein kluges, aber nicht tröstliches Buch: Was passiert, wenn zwei „Vergangenheitsmenschen“ in Liebe zu einander kommen oder eben nicht zu einander finden? Das erzählt Schoch präzise, mit vielen sehr treffenden Sätzen in einem kurzen, aber ausreichend Romänchen: Das Scheitern einer Beziehung, die von Anfang an keine Chance hat – und ihr Symbol im Zufall des Roulette-Spiel(en)s findet. Es geht dabei zwar offensichtlich um Leidenschaft, ist aber sehr überlegt, oft analytisch, meistens trocken, auch sprachlich fern jeden Überschwangs und leidenschaftlichen Ausbruchs. Der Trick ist natürlich, dass gerade die Geschicht selbst nicht erzählt wird, sondern höchstens in Andeutungen klar wird. Erzählt wird stattdessen das Erzählen und das Erinnern, die Frage der Vergangenheit, versetzt mit Fragmenten der Liebesgeschichte. Und das konnte mich durchaus erfreuen.
In Wirklichkeit ist Schreiben eine Form des Wartens. Solange ich dies schreibe, ist nichts zu Ende, kann es eine wiederholung geben. (96)