Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: wolfgang herrndorf

Ins Netz gegangen (14.4.)

Ins Netz gegan­gen am 14.4.:

  • Farm to Fable | Tam­pa Bay Times → ein inter­es­san­ter und auf­wen­dig recher­chier­ter, aber sehr lan­ger (und bis­wei­len arg lang­at­mi­ger) text der restau­rant­kri­ti­ke­rin der „tam­pa bay times“ in flo­ri­da über die lügen der gas­tro­no­mie, was „local“ (in deutsch­land eher: regio­nal) zuta­ten (und her­kunfts­an­ga­ben über­haupt) angeht. auf den punkt gebracht:

    If you eat food, you are being lied to every day.

    (es gibt aber auch posi­ti­ve bei­spie­le …)

  • Bil­ler unread | der Frei­tag → micha­el ange­le vom „frei­tag“ schreibt eine sam­mel­re­zen­sen­si­on der kri­ti­ken von bil­lers „bio­gra­fie“

    So bil­de­te sich mir beim Lesen ein eige­ner klei­ner Roman über einen Kri­ti­ker, was will man mehr.

  • Exit-Stra­te­gie: Herrn­dorfs Revol­ver | FAS → julia encke hat sich im lite­ra­tur­ar­chiv mar­bach die waf­fe von wolf­gang herrn­dorf zei­gen las­sen und erzählt für die „fas“ die geschich­te, wie sie dort­hin kam

    Doch ist die eigent­li­che Poin­te viel­leicht eine ganz ande­re. Denn von Wolf­gang Herrn­dorf liegt hier in Mar­bach jetzt nur der Revol­ver und kein Manu­skript, kei­ne Skiz­ze, kei­ne hand­schrift­li­chen Noti­zen. Nur die Reli­quie sozu­sa­gen, aber nicht die Schrift. Wer „Arbeit und Struk­tur“ liest – die­ses über­wäl­ti­gen­de Buch mit zwei Prot­ago­nis­ten: Wolf­gang Herrn­dorf und sei­ne Waf­fe -, der kennt auch die Pas­sa­gen, in denen der Autor sei­ne Abnei­gung gegen­über Ger­ma­nis­ten ziem­lich deut­lich zum Aus­druck bringt. Dass die Ger­ma­nis­ten jetzt nur das Werk­zeug der Been­di­gung des Schrei­bens in die Hän­de bekom­men und nicht den Text selbst, das hät­te ihm mög­li­cher­wei­se gefal­len. Es passt jeden­falls zu der Art von Scher­zen, die Wolf­gang Herrn­dorf moch­te.

  • Unge­wöhn­li­cher Klang­po­et: Zum Tod des Kom­po­nis­ten Josef Anton Riedl | BR-Klas­sik → heu­te erst erfah­ren: josef anton riedl ist gestor­ben. für br-klas­sik hat hel­mut rohm einen guten nach­ruf geschrie­ben.

    Sein eige­nes mul­ti­me­dia­les, Gat­tungs­gren­zen spren­gen­des Schaf­fen aber lässt sich kaum auf den Punkt brin­gen. Jeden­falls hat er – wie sein Freund Die­ter Schne­bel es tref­fend sag­te – nie „nor­ma­le“ Musik geschrie­ben.

  • Aldis final Dis­count­down | Kraut­re­por­ter → peer scha­der über den „stra­te­gie­wech­sel“ bei aldi und die damit ein­her­ge­hen­den pro­ble­me für händ­ler, her­stel­ler und kun­den
  • A Smart Black­let­ter Font: 7 Ques­ti­ons for Ger­rit Ans­mann | Typography.Guru → war­um – und vor allem wie – ein deut­scher phy­si­ker eine frak­tur-schrift für das 21. jahr­hun­dert aufbereitet/​aktualisiert
  • How an inter­net map­ping glitch tur­ned a ran­dom Kan­sas farm into a digi­tal hell | Fusi­on → cra­zy sto­ry, was pas­siert, wenn eine/​mehrere ip-loca­ti­ons-fir­ma beschlie­ßen, ips, deren adres­se sie nicht genau ken­nen, der „mit­te“ eines lan­des zuord­nen – da wohnt unter umstän­den näm­lich jemand …
  • Natur­schutz: Was ist nur aus uns gewor­den? | Zeit → haral wel­zer ist etwas rat­los – all das grü­ne leben, das bemü­hen um nach­hal­tig­keit und öko­lo­gie – es scheint nichts zu nut­zen, weil das „immer mehr“ aus dem kapi­ta­lis­ten sys­tem offen­bar nicht weg­zu­be­kom­men ist …

    Der Preis für das so per­fekt funk­tio­nie­ren­de Bünd­nis zwi­schen Öko­be­sorg­nis und Nor­mal­wirt­schaft ist hoch: Nicht nur klafft heu­te zwi­schen der aus­ge­bau­ten Exper­to­kra­tie in Minis­te­ri­en, Uni­ver­si­tä­ten, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen und Umwelt­ver­bän­den und ‑räten aller Art und der bun­ten, aber eher staats­fer­nen und ent­po­li­ti­sier­ten Gras­wur­zel­ak­ti­vis­ten-Sze­ne eine gro­ße gesell­schafts­po­li­ti­sche Lücke, auch ist den Grü­nen ihr Mar­ken­kern abhan­den­ge­kom­men, seit die gan­ze Gesell­schaft sym­bo­lisch ergrünt ist.

    Das wirkt sich umso dra­ma­ti­scher aus, als die Fol­gen einer fort­ge­setz­ten Natur­zer­stö­rung heu­te immer deut­li­cher wer­den – bis hin zu den sozia­len Fol­gen in Gestalt von Flucht und Ver­trei­bung. Eine Wei­le lang hat die Öko­be­we­gung als Moder­ni­sie­rungs­im­puls für eine moder­ne Gesell­schaft gewirkt, die so etwas regel­mä­ßig braucht, um neue Märk­te, Pro­duk­te und Bedürf­nis­se zu erschlie­ßen. Aber in die­ser Moder­ni­sie­rung hat sie sich selbst weit­ge­hend ver­lo­ren. Ivan Illich hat­te auf Selbst­be­gren­zung bestan­den, weil es kei­ner noch so effi­zi­enz­ge­schärf­ten Pro­duk­ti­vi­tät jemals gelin­gen kön­ne, „die nach Belie­ben geschaf­fe­nen und mul­ti­pli­zier­ten Bedürf­nis­se zu befrie­di­gen“. Wohl wahr. Aber Selbst­be­gren­zung ist einem Sys­tem wesens­fremd, des­sen Erfolgs­re­zept gera­de dar­in liegt, unab­läs­sig natür­li­che Gren­zen zu über­schrei­ten.

  • wör­ter­buch­kri­tik an einer wer­be­an­zei­ge | lexi­ko­gra­phieb­log → schön: wer sei­ne anzei­ge als lexi­kon­ein­trag gestal­tet, muss auch damit rech­nen, dass ein lexi­ko­graph sie lexi­ko­gra­phisch kri­ti­siert …

Aus-Lese #42

Viel zu lan­ge gewar­tet mit der nächs­ten Aus-Lese, des­we­gen ist das jetzt eine Aus­le­se der Aus-Lese …

Fried­rich Fors­s­man: Wie ich Bücher gestal­te. Göt­tin­gen: Wall­stein 2015 (Ästhe­tik des Buches, 6). 79 Sei­ten.

forssman, wie ich bücher gestalte„Ein Buch ist schön, wenn die Gestal­tung zum Inhalt paßt.“ (71) – in die­sem klei­nen, harm­lo­sen Satz steckt eigent­lich schon das gesam­te gestal­te­ri­sche Cre­do Fors­s­mans (des­sen Name ich immer erst beim zwei­ten Ver­such rich­tig schrei­be …) drin. Fors­s­man, als Gestal­ter und Set­zer der Spät­wer­ke Arno Schmidts schon fast eine Legen­de, inzwi­schen auch durch die Neu­ge­stal­tung der Reclam­schen „Uni­ver­sal Biblio­thek“ in fast allen Hän­den, will in die­sem klei­nen Büch­lein – 79 Sei­ten sind nicht viel, wenn es um Buch­ge­stal­tung, Typo­gra­phie, Her­stel­lung und all das drum­her­um gehen soll – zei­gen, wie er selbst Bücher gestal­tet, das heißt, nach wel­chen Kri­te­ri­en er arbei­tet. Ein Werk­statt­be­richt soll das sein – und das ist es auch, nicht nur, weil es so aus­sieht.

Locker plau­dert er, könn­te man sagen, über die Arbeit an der Her­stel­lung eines Buches. Das betrifft letzt­lich all die Aspek­te, die über den „rei­nen“ Text als Inhalt hin­aus­ge­hen: Typo­gra­phie, Satz, For­mat, Her­stel­lung, Umschlag und vie­les mehr. Fors­s­man plau­dert, sage ich, weil er sich dezi­diert als Theo­rie-Ver­äch­ter dar­stellt. Letzt­lich sind das alles Regel- und Geschmack­fra­gen: Ein Buch ist schön, wenn es gut ist – und es ist gut, wenn es schön ist. Viel mehr steckt da eigent­lich nicht dahin­ter. Fors­s­man sieht Buch­ge­stal­tung aus­drück­lich als Kunst­hand­werk, das bestimm­ten Regeln gehorcht. Die – und den guten Geschmack bei der Beur­tei­lung ihrer Anwen­dung – lernt man, indem man ande­re Bücher der Ver­gan­gen­heit (und Gegen­wart) anschaut und stu­diert. Frei­heit und Tra­di­ti­on bzw. Regel sind die Pole, zwi­schen denen jeder Kunst­hand­wer­ker sich immer wie­der ver­or­tet. Beim Lesen klingt das oft tra­di­tio­nel­ler und lang­wei­li­ger, als Fors­manns Bücher dann sind. Das liegt wahr­schein­lich nicht zuletzt dar­an, dass er sehr stark auf eine aus­ge­feil­te und kon­se­quen­te Durch­ge­stal­tung des gesam­ten Buches Wert legt – vom Bin­dungs­leim bis zur kor­rek­ten Form der An- und Abfüh­rungs­stri­che hat er alles im Blick. Und, dar­auf weist er auch immer wie­der hin, Regel­haf­tig­keit und Tra­di­ti­on heißt ja nicht, dass alles vor­ge­ge­ben ist: Es gibt Frei­heits­gra­de, die zu nut­zen im Sin­ne einer Inter­pre­ta­ti­on des vor­lie­gen­den Tex­tes die Auf­ga­be des Buch­ge­stal­ters ist. Und dabei gilt dann doch wie­der:

Die Beweis­last liegt immer beim Ver­än­de­rer, in der Typo­gra­phie erst recht. (42)

Ili­ja Tro­ja­now: Macht und Wider­stand. Frank­furt am Main: Fischer. 479 Sei­ten.

ilija trojanow, macht und widerstandEin ganz schö­ner Bro­cken, und ein ganz schön hef­ti­ger dazu. Nicht wegen der lite­r­a­rir­schen Form, son­dern wegen des Inhalts – der ist nicht immer leicht ver­dau­lich. Es geht um Bul­ga­ri­en unter sozialistischer/​kommunistischer Herr­schaft, genau­er gesagt, um die „Arbeit“ und die Ver­bre­chen der Staats­si­cher­heit. Das erzählt Tro­ja­now auf der Grund­la­ge von Archiv­ak­ten, die zum Teil auch ihren Weg ins Buch gefun­den haben (selt­sa­mer­wei­se wer­den sie – und nur sie – in klein­schrei­bung ange­kün­digt …). Tro­ja­now kon­stru­iert eine Geschich­te aus zwei Polen – Macht und Wider­stand natür­lich – die sich in zwei Män­nern nie­der­schla­gen und recht eigent­lich, das wird ganz schnell klar, per­so­ni­fi­zie­ren. Die sind dadurch für mei­nen Geschmack manch­mal etwas ein­di­men­sio­nal gewor­den: Der eine ist eben die mehr oder weni­ger rei­ne Ver­kör­pe­rung des Prin­zipes Wider­stand, der ande­ren der Macht (bzw. des prin­zi­pi­en­lo­sen Oppor­tu­nis­mus). In abwech­seln­den Kapi­teln wech­selt auch immer die Per­spek­ti­ve ent­spre­chend. Geschickt gelingt Tro­ja­now dabei ein har­mo­ni­scher Auf­bau, der Infor­ma­tio­nen sehr har­mo­nisch und all­mäh­lich wei­ter­gibt. Sei­nen haupt­säch­li­chen Reiz zieht Macht und Wider­stand viel­leicht aber doch dar­aus, dass es sozu­sa­gen Lite­ra­tur mit Wahr­heits­an­spruch ist, den Fik­tio­na­li­täts­pakt also auf­kün­digt (und dar­an im Text durch die ein­ge­streu­ten Akten­über­set­zun­gen, die sonst für den lite­ra­ri­schen Text wenig tun, immer wie­der erin­nert). Das macht die Bewer­tung aber zugleich etwas schwie­rig: Als rein lite­ra­ri­scher Text über­zeugt es mich nicht, in sei­ner Dop­pel­funk­ti­on als Lite­ra­tur und his­to­risch-poli­ti­sche Auf­klä­rung ist es dage­gen groß­ar­tig.

John Hirst: Die kür­zes­te Geschich­te Euro­pas. Ham­burg: Atlan­tik 2015. 206 Sei­ten.

hirst, europaEine inter­es­san­te Lek­tü­re bie­tet die­se Geschich­te Euro­pas, sie ist durch­aus erfri­schend, die extre­me Ver­knap­pung. Aber halt auch immer wie­der pro­ble­ma­tisch – vie­les fehlt, vie­les ist unge­nau bis feh­ler­haft. Aber um Voll­stän­dig­keit (der behan­del­ten The­men oder der Dar­stel­lung) kann es in einer „kür­zes­ten Geschich­te“ natür­lich über­haupt nicht gehen.

Hirst geht es im ers­ten Teil – „Die kür­zes­te Ver­si­on der Geschich­te“ über­schrie­ben – vor allem um die For­mie­rung Euro­pas: Wie wur­de Euro­pa das, was es heu­te ist (oder vor weni­gen Jah­ren war)? Er stützt sich dabei vor allem auf drei Phä­no­me­ne und sie­delt das maß­geb­lich im Über­gang von Anti­ke zu Mit­tel­al­ter an: Euro­pa ist die Ver­bin­dung von der „Kul­tur des anti­ken Grie­chen­lands und Roms“, dem Chris­ten­tum und der „Kul­tur der ger­ma­ni­schen Krie­ger“. Immer wie­der betont er, dass Euro­pa als Idee und Gestalt eben maß­geb­lich eine Mischung sei. Und die ver­steht man nur, wenn man ihre Gene­se im Blick hat (das alles gilt übri­gens für ihn bis in die Jetzt­zeit – ich bin mir nicht sicher, ob er dabei nicht doch die Macht & Not­wen­dig­keit der Geschich­te über­schätzt …): Nur mit Kennt­nis die­ser Wur­zeln ver­steht man also die Gegen­wart. Er fasst sei­ne Über­le­gun­gen zum Zusam­men­wir­ken sei­ner Grund­fak­to­ren immer wie­der in schö­nen Dia­gram­men zusam­men, die dann zum Bei­spiel so aus­se­hen:

Die ers­ten Tei­le – wo es um die eigent­li­che Geschich­te und For­mie­rung Euro­pas als Euro­pa geht – sind dabei gar nicht so schlecht: Natür­lich ist das alles sehr ver­kürzt, aber übri­gens auch gut les­bar. Danach, wo es unter Über­schrif­ten wie „Ein­fäl­le und Erobe­run­gen“, „Staats­for­men“, „Kai­ser und Päps­te“ um Lini­en und Ten­den­zen der euro­päi­schen Geschich­te in Mit­tel­al­ter und Neu­zeit geht, wird es für mei­nen Geschmack aber zu epi­so­disch und auch his­to­risch oft zu unge­nau. In der Kon­zep­ti­on fehlt mir zu viel Kul­tur und Kul­tur­ge­schich­te: Hirst geht wei­test­ge­hend von klas­si­scher poli­ti­scher Geschich­te aus, ergänzt das noch um etwas Phi­lo­so­phie und ein biss­chen Reli­gi­on. Und: Hirst denkt für mei­nen Geschmack auch zu sehr in moder­nen Begrif­fen, was manch­mal zu schie­fen Bewer­tun­gen führt (übri­gens auch ande­ren bei His­to­ri­kern (immer noch) ein belieb­ter Feh­ler …)

Man­che Wer­tung und Ein­schät­zung stößt bei mir auf grö­ße­ren Wider­stand. Manch­mal aber auch ein­fa­ches hand­werk­li­ches Pfu­schen, wenn Hirst etwa Davids Zeich­nung „Schwur im Ball­haus“ unhin­ter­fragt als getreu­es Abbild einer wirk­li­chen Hand­lung am Beginn der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on liest und inter­pre­tiert (dass er den Leser sonst mit Quel­len nicht wei­ter behel­ligt, ist natür­lich dem For­mat geschul­det). Selt­sam fand ich auch sein Bild der mit­tel­al­ter­li­chen Kir­che vor Gre­gor VII und ihr Ver­hält­nis zur Poli­tik: „Ört­li­che Macht­ha­ber und die Mon­ar­chen Euro­pas hat­ten sie [die Kir­che] unter­gra­ben, schlecht­ge­macht und aus­ge­plün­dert.“ (149) – ein­deu­ti­ger kann man kaum Posi­ti­on bezie­hen …

Damit ist Hirst ins­ge­samt also sicher nicht die letz­te Auto­ri­tät zur Geschich­te Euro­pas, nichts­des­to­trotz aber durch­aus eine sti­mu­lie­ren­de Lek­tü­re. So weit wie Gus­tav Seibt, der das in der SZ ein „Meis­ter­werk der Ver­ein­fa­chung“ nann­te, wür­de ich aller­dings nicht gehen.

Roland Bar­thes: Der Eif­fel­turm. Ber­lin: Suhr­kamp 2015. 80 Sei­ten.

barthes, eiffelturmZum 100. Geburts­tag des gro­ßen Roland Bar­thes hat Suhr­kamp sei­nen klei­nen Text über den Pari­ser Eif­fel­turm in einem schön gemach­ten Büch­lein mit ergän­zen­den Fotos ver­öf­fent­licht (das bei mir aller­dings schon beim ers­ten Lesen zer­fiel …). Bar­thes unter­sucht nicht nur, was der Eif­fel­turm eigent­lich ist – näm­lich ein (annä­hernd) lee­res Zei­chen -, son­dern vor allem, was er bedeu­tet und was er mit Paris und dem Beob­ach­ter oder bes­ser Betrach­ter macht. So kon­sta­tiert er unter ande­rem, dass der Eif­fel­turm einen neu­en Blick (aus der Höhe eben) auf die Stadt als neue Natur, als mensch­li­chen Raum ermög­licht und eröff­net. Und damit ist der Eif­fel­turm für Bar­thes die Mate­ria­li­sa­ti­on des­sen, was die Lite­ra­tur im 19. Jahr­hun­dert schon längst geleis­tet hat­te, näm­lich die Ermög­li­chung, die Struk­tur der Din­ge (als „kon­kre­te Abs­trak­ti­on“) zu sehen und zu ent­zif­fern. Der beson­de­re Kniff des Eif­fel­turms besteht und dar­in, dass er – im Unter­schied zu ande­ren Tür­men und Monu­men­ten – kein Innen hat: „Den Eif­fel­turm besich­ti­gen heißt sich zu sei­nem Para­si­ten, nicht aber zu sei­nem Erfor­scher machen.“ (37), man glei­tet immer nur auf sei­ner Ober­flä­che.

Damit und durch die Eta­blie­rung eines neu­en Mate­ri­als – dem Eisen statt dem Stein – ver­kör­pert der Eif­fel­turm einen neu­en Wert – den der funk­tio­nel­len Schön­heit. Gera­de durch sei­ne Nutz­lo­sig­keit (die ihn vor sei­ner Erbau­ung so suspekt mach­te) befä­higt ihn beson­ders – weil kei­ne tat­säch­li­che Nut­zung sich mit ein­mengt -, zum Sym­bol der Stadt Paris zu wer­den: „Der Eif­fel­turm ist durch Met­ony­mie Paris gewor­den.“ (51) – und mehr noch, er ist „die unge­hemm­te Meta­pher“ über­haupt: „Blick, Objekt, Sym­bol, der Eif­fel­turm ist alles, was der Mensch in ihn hin­ein­legt.“ (63). Genau das ist es natür­lich, was ihn für den struk­tu­ra­lis­ti­schen Semio­ti­ker Bar­thes so inter­es­sant und anzie­hend macht. Und die­se Fas­zi­na­ti­on des Autors merkt man dem Text immer wie­der an.

Micha­el Fehr: Sime­li­berg. 3. Auf­la­ge. Luzern: Der gesun­de Men­schen­ver­sand 2015. 139 Sei­ten.

Grau
nass
trüb
ein Schwei­zer Wet­ter
ziem­lich ab vom Schuss (5)

fehr, simeliberg- so fängt das „Satz­ge­wit­ter“ von Micha­el Fehrs Sime­li­berg an. Die Metho­de bleibt über die fast 140 Sei­ten gleich: Die Sät­ze der har­ten, schwei­ze­risch gefärb­ten Pro­sa wer­den durch ihre Anord­nung der Lyrik ange­nä­hert (das typo­gra­phi­sche Dis­po­si­tiv ist sogar ganz unver­fälscht das der Lyrik), statt Satz­zei­chen benutzt Fehr Zei­len­um­brü­che. Die­se zei­len­wei­se Iso­lie­rung von Satz­tei­len und Teil­sät­zen ver­leiht dem Text nicht nur eine eigen­ar­ti­ge Gestalt, son­dern auch ein ganz eige­nes Lese­er­leb­nis: Das ist im Kern „ech­te“ Pro­sa, die durch ihre Anord­nung aber leicht wird, den Boden unter den Füßen ver­liert, ihre Fes­tig­keit und Sicher­heit (auch im Bedeu­ten und Mei­nen) auf­ge­ge­ben hat: Sicher im Sin­ne von unver­rückt und wahr ist hier kaum etwas, die Form lässt alles offen. Dabei ist die erzähl­te Geschich­te in ihrem Kri­mi­ch­a­rak­ter (der frei­lich kei­ne „Auf­lö­sung“ erfährt) bei­na­he harm­los: Ein abge­le­ge­ner Hof, selt­sa­me Todes­fäl­le, eine gigan­ti­sche Explo­si­on, eine Unter­su­chung, die Kon­fron­ta­ti­on von Dorf und Stadt, von Ein­hei­mi­schen und Zuge­zo­ge­nen. Genau wie die Geschich­te bleibt alles im Unge­fäh­ren, im Düs­te­ren und Schlam­mi­gen – die Figu­ren sind Schat­ten­ris­se, ihre Moti­va­ti­on wie ihre Spra­che bruch­stück­haft. Und genau wie die Men­schen (fast) alle selt­sa­me Son­der­lin­ge sind, ist auch der Text son­der­bar – aber eben son­der­bar fas­zi­nie­rend, viel­leicht gera­de durch sei­ne Här­te und die abgrün­di­ge Dun­kel­heit, die er aus­strahlt. Und die Fehr weder mil­dern will noch kann durch eine „ange­neh­me­re“, das heißt den Leser­er­war­tun­gen mehr ent­spre­chen­de, Erzähl­wei­se.

Hans-Jost Frey: Hen­ri­ci. Solo­thurn: Urs Enge­ler 2014. 84 Sei­ten.

frey, henriciAuch wie­der ein net­tes, sym­pa­thi­sches Büch­lein: In über 60 kur­zen Geschich­ten, Anek­do­ten, Skiz­zen hin­ter­fragt Hen­ri­ci (den man sich wohl als alter ego des Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lers Frey vor­stel­len darf) den All­tag der Gegen­wart, unser Tun und unser Spre­chen. Das ist ein­fach schön ver­spielt, ver­liebt ins Spie­len, genau­er gesagt, ins Wort­spiel: Durch das spie­le­ri­sche Arbei­ten mit gedan­ken­los geäu­ßer­ten Wor­ten und Sät­zen, mit Gemein­plät­zen, hin­sicht­lich ihres Klan­ges und ihrer Seman­tik bringt Frey immer wie­der die Bedeu­tun­gen zum Tan­zen. Das sind oft oder sogar über­wie­gend gar kei­ne welt­ver­än­dern­den Beob­ach­tun­gen, die die­se Minia­tu­ren erzäh­len. Aber sie haben die Kraft, das All­täg­li­che, das Nor­ma­le, das man immer wie­der als Gege­ben unhin­ter­fragt ein­fach so hin­nimmt und wei­ter­führt, für die Beob­ach­tung und Inspek­ti­on zu öff­nen: Denn im spie­le­ri­schen Ver­dre­hen der Wor­te zeigt Frey immer wie­der, was die eigent­lich leis­ten (kön­nen), wenn man sie nicht bloß unbe­dacht äußert, son­dern auch in bana­len Situa­tio­nen auf ihre Mög­lich­kei­ten und Bedeu­tun­gen abklopft – da kommt Erstaun­li­ches, oft aus­ge­spro­chen Komi­sches dabei her­aus. Eine sehr sym­pa­thi­sche (und leicht zugäng­li­che) Art des (Sprach)Philosophierens …

Titus Mey­er: Mei­ner Buch­sta­be­neu­ter Milch­wucht­ord­nung. Leip­zig: Rei­ne­cke & Voß 2015. 84 Sei­ten.

Zu die­sem ganz wun­der­ba­ren Büch­lein mit dem zau­ber­haf­ten Titel Mei­ner Buch­sta­be­neu­ter Milch­wucht­ord­nung von Titus Mey­er, das vol­ler fas­zi­nie­rend artis­ti­scher Sprach­kunst­wer­ke steckt, habe ich schon vor eini­ger Zeit ein paar Sät­ze ver­lo­ren: klick.

Wolf­gang Herrn­dorf: Bil­der dei­ner gro­ßen Lie­be. Ein unvoll­ende­ter Roman. Her­aus­ge­ge­ben von Kath­rin Pas­sig und Mar­cus Gärt­ner. RM Buch und Medi­en 2015. 141 Sei­ten.

herrndorf, bilder deiner großen liebeBil­der dei­ner gro­ßen Lie­be ist ein unver­öf­fent­lich­tes und auch unfer­ti­ges Manu­skript aus dem Nach­lass Wolf­gang Herrn­dorfs, das Kath­rin Pas­sig und Mar­cus Gärt­ner (die mit Herrn­dorf eng bekannt/​befreundet waren) zur Ver­öf­fent­li­chung „arran­giert“ haben. Denn das vor­han­de­ne Text­ma­te­ri­al setzt an ver­schie­de­nen Stel­len des geplan­ten Romans an und ist auch unter­schied­lich stark aus­ge­ar­bei­tet. Das merkt man auch beim Lesen – eini­ges passt (etwa chro­no­lo­gisch und topo­gra­phisch) nicht zusam­men, an eini­gen Stel­len bre­chen Epi­so­den mit Stich­wor­ten oder Halb­sät­zen ab. Trotz­dem liest man eben Herrn­dorf: Wie­der eine Art Road-Novel, dies­mal von der „ver­rück­ten“ Isa auf ihrem Weg durch das Land berich­tend, wobei sie eini­ge span­nen­de Begeg­nun­gen erlebt. Ein sehr bun­ter, etwas chao­ti­scher und deut­lich unfer­ti­ger Text – ich bin mir nicht sicher, ob Herrn­dorf damit ein Gefal­len getan wur­de, das noch zu ver­öf­fent­li­chen. Sicher, das ist nett zu lesen. Aber in die­ser Form ist es eben über­haupt nicht auf der Ebe­ne, auf der Herrn­dorfs ande­re Tex­te ange­sie­delt sind. Für Herrn­dorf-Fans sicher ein Muss, die ande­ren kön­nen das ohne gro­ßen Ver­lust aus­las­sen.

Ver­rückt sein heißt ja auch nur, dass man ver­rückt ist, und nicht bescheu­ert. (7)

außer­dem noch gele­sen:

  • Iris Hanika: Wie der Müll geord­net wird. Graz, Wien: Dro­schl 2015. 298 Sei­ten.
  • Ulri­ke Almut San­dig: Grimm. Gedich­te. Nach den Kin­der- und Haus­mär­chen von Jacob und Wil­helm Grimm, hg. von Bri­git­te Labs-Ehlert. Det­mold: Wege durch das Land 2015 (Wege durch das Land 23). 32 Sei­ten.
  • Urs Faes: Und Ruth. Frank­furt am Main, Wien, Zürich: Bücher­gil­de Guten­berg 2001 [Suhr­kamp 2001]. 181 Sei­ten.
  • Moni­que Schwit­ter: Eins im Andern. 5. Auf­la­ge. Graz: Dro­schl 2015. 232 Sei­ten.
  • Tho­mas Mel­le: Raum­for­de­rung. Erzäh­lun­gen. Frank­furt am Main: Suhr­kamp 2007. 200 Sei­ten.
  • Man­fred Mit­ter­may­er: Tho­mas Bern­hard. Eine Bio­gra­fie. Wien: Resi­denz Ver­lag 2015. 452 Sei­ten.
  • Peter Stamm: Nacht ist der Tag. Frank­furt am Main: Fischer Taschen­buch Ver­lag 2014. 253 Sei­ten.
  • Sig­mar Scholl­ak: Nar­ren­rei­se. Hal­le: Mit­tel­deut­scher Ver­lag 2015. 159 Sei­ten.
  • Sabi­ne Scholl: Wir sind die Früch­te des Zorns. Zürich: Seces­si­on Ver­lag für Lite­ra­tur 2013. 288 Sei­ten.
  • Anke Stel­ling: Boden­tie­fe Fens­ter. 4. Auf­la­ge. Ber­lin: Ver­bre­cher 2015. 249 Sei­ten.
  • Gun­nar Gun­n­ars­son: Advent im Hoch­ge­bir­ge. Erzäh­lung. Stutt­gart: Reclam 2006. 103 Sei­ten.
  • Hans Joa­chim Schäd­lich: Ver­such­te Nähe. Pro­sa. Rein­bek: Rowohl 1992.

Listen

Man soll­te kei­ne Bücher schrei­ben ohne Lis­ten drin.
Wolf­gang Herrn­dorf, Arbeit und Struk­tur

Aus-Lese #26

Wolf­gang Herrn­dorf: Arbeit und Struk­tur. Ber­lin: Rowohlt 2013. 447 Sei­ten.

Das Blog von Wolf­gang Herrn­dorf, eben „Arbeit und Struk­tur“, habe ich erst recht spät wahr­ge­nom­men und dann auch immer etwas gefrem­delt. Hier, in sei­ner Ganz­heit, wirkt das sehr anders. Und jetzt ist Herrn­dorfs Web­log „Arbeit und Struk­tur“ wirk­lich so groß­ar­tig, wie es vie­le Rezen­sen­ten beschrei­ben. Aber nicht, weil es so beson­ders direkt und „authen­tisch“ ist (das ist es nicht, es ist Lite­ra­tur und sorg­fäl­tig bear­bei­tet), son­dern weil es den Ein­druck von Ehr­lich­keit und skru­tin­öser Selbst­be­fra­gung ver­mit­teln kann – gera­de in den schwie­ri­gen Situa­tio­nen, z.B. dem Emp­fang der Dia­gno­se, den Berech­nun­gen der ver­blei­ben­den Lebens­zeit. Und weil es scho­nungs­los die Schwie­rig­kei­ten recht unmit­tel­bar dar­stellt. Etwa auch die Ver­zweif­lung, dass es in Deutsch­land kaum mög­lich ist, als tod­kran­ker Mensch sein Lebens­en­de wirk­lich selbst zu bestim­men. Schon früh tau­chen die Über­le­gun­gen zu einer „Exit­stra­te­gie“ (79) auf. Deut­lich merkt man aber auch einen Wan­del in den drei Jah­ren: vom locke­ren (bei­na­he …) Anfang, als Herrn­dorf sich vor allem in die Arbeit (an Tschick und Sand) flüch­tet, hin zum bit­te­ren, har­ten Ende. Das mani­fes­tiert sich auch in der Spra­che, die dich­ter und här­ter, ja kan­ti­ger wird. Natür­lich geht es hier oft um die Krank­heit, den Hirn­tu­mor (die „Raum­for­de­rung“), aber nicht nur – er beschreibt auch die klei­nen Sie­ge des All­tags und die Seg­nun­gen der Arbeit, die poe­ti­schen Gedan­ken: „Arbeit und Struk­tur“ dient auch als Form der The­ra­pie, die manch­mal selbst etwas manisch wird, manch­mal aber auch nur Pflicht ist; ist aber zugleich auch eine poe­ti­sche Arbeit mit den ent­spre­chen­den Fol­gen.

Ich erfin­de nichts, ist alles, was ich sagen kann. Ich samm­le, ich ord­ne, ich las­se aus. Im Über­schwang spon­ta­ner Selbst­dra­ma­ti­sie­rung erkenn­bar falsch und unge­nau Beschrie­be­nes wird oft erst im Nach­hin­ein neu beschrie­ben. (292)

Ein gro­ßer Spaß, die­ses Ster­ben. Nur das War­ten nervt. (401)

Michel Fou­cault: Der Wil­le zum Wis­sen. Sexua­li­tät und Wahn­sinn I. Frank­furt am Main: Suhr­kamp 2012 (1983). 153 Sei­ten.

Den Klas­si­ker der Dis­kurs­theo­rie habe ich jetzt end­lich auch mal gele­sen – nicht so sehr um des The­mas, also der Unter­su­chung der Erzäh­lung der Befrei­ung der Sexua­li­tät, wil­len, son­dern der Metho­de wil­len. Fou­cault zeigt ja hier, wie Macht­struk­tu­ren in Dis­kur­sen und Dis­po­si­ti­ven sich rea­li­sie­ren, hier am Bei­spiel der Sexua­li­tät und der Ent­wick­lung des Spre­chens über sie, also der Regu­lie­rung von Sexua­li­tät in der Neu­zeit Euro­pas. Ins­be­son­de­re die Ubi­qui­tät von Macht(strukturen) ist ent­schei­de­ne, die auch nicht irgend­wie zen­tral gesteu­ert sind (und gegen­tei­li­ge Ergeb­nis­se haben kön­nen: „Iro­nie die­ses Dis­po­si­tivs: es macht uns glau­ben, daß es dar­in um unse­re ‚Befrei­ung‘ geht.“ (153)).

Ent­schei­dend ist hier ja Fou­caults neu­er Begriff von Macht, der über den Dis­kurs & nicht­dis­kur­si­ve For­ma­tio­nen geprägt ist. Dazu noch die Idee der Dis­po­si­ti­ve als Samm­lung von Umset­zungs­stra­te­gien, die über Dis­kur­se hin­aus gehen und z.B. hier auch päd­ago­gi­sche oder archi­tek­to­ni­sche Pro­gram­me umfasst – das ergibt die Beob­ach­tung der Macht von „unten“, die im Geständ­nis der Sexua­li­tät Ver­hal­tens­wei­sen und Ord­nun­gen der Gesell­schaft aus­han­delt.

Mara Gen­schel: Refe­renz­flä­che #3.

Die­ses klei­ne, nur bei der Autorin selbst in limi­tier­ter Auf­la­ge zu bekom­men­de Heft ist ein ein­zig­ar­ti­ges, gro­ßes, umfas­sen­des Spiel mit Wor­ten und Tex­ten und Bedeu­tun­gen und Lite­ra­tur oder „Lite­ra­tur“: Zwi­schen Cut-Up, Mon­ta­ge, expe­ri­men­tell-avant­gar­dis­ti­scher Lyrik, Rea­dy-Mades und wahr­schein­lich noch einem Dut­zend ande­rer Küns­te vaga­bun­die­ren die sprach­spie­le­ri­schen Text‑, Sprach‑, und Wort­fet­zen, die sich gegen­sei­tig ergän­zen, per­mu­tie­ren und vari­ie­ren. Eini­ge davon sind wirk­lich im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes Fet­zen: Aus­ris­se aus ande­ren Tex­te, aus jour­na­lis­ti­schen oder hand­schrift­lich-pri­va­ten Erzeug­nis­sen, die hier mon­tiert und geklebt sind. Man­ches hin­ter­lässt ein­fach Rat­lo­sig­keit, man­ches ruft ein amü­san­tes Augen­brau­en­he­ben her­vor – und man­che Sei­te begeis­tert ein­fach. Ob das Schar­la­ta­ne­rie oder Genia­li­tät ist – kei­ne Ahnung, ehr­lich gesagt. Lang­wei­lig ist es aber auf jeden Fall nicht.

Peter Hand­ke: Die schö­nen Tage von Aran­juez. Ein Som­mer­dia­log. Ber­lin: Suhr­kamp 2012. 70 Sei­ten.

Ich habe oft solch eine Lust, zu erzäh­len, vor allem die­se Erfah­rung – die­se Geschich­te. Aber sowie ich bedrängt wer­de mit ‚Erzähl!‘: Vor­bei der Schwung. (9)

Ein kar­ges Stück, das allein von sei­ner Spra­che lebt: „Ein Mann“ und „Eine Frau“ sit­zen sich gegen­über und füh­ren einen Dia­log. Nun ja, sie reden bei­de, aber nicht immer mit­ein­an­der. Offen­bar gibt es vor­her ver­ein­bar­te Regeln und Fra­gen, deren Ver­stö­ße manch­mal moniert wer­den. Es geht um viel – um die Geschich­te und Geschich­ten, ums Erzäh­len und die Erin­ne­rung. Aber auch um Licht und Schat­ten, Anzie­hung, Gebor­gen­heit und Ent­frem­dung oder Ernüch­te­rung, um Begeh­ren und Lie­be. Dahin­ter steht ein spie­le­risch-erzäh­le­risch-tas­ten­des Aus­lo­ten der Beziehung(smöglichkeiten) zwi­schen Mann und Frau. Das Gan­ze – es sind ja nur weni­ge Sei­ten – ist poe­ti­siert bis zum geht nicht mehr. Genau dar­in aber ist es schön!

Zum Glück ist das hier zwi­schen uns bei­den kein Dra­ma. Nichts als ein Som­mer­dia­log. (43)

Laß uns hier schwei­gen von Lie­be. Höchs­ten viel­leicht ein biß­chen Melan­cho­lie im November.(49)

Ins Netz gegangen (11.12.)

Ins Netz gegan­gen am 11.12.:

  • Kath­rin Pas­sig über Wolf­gang Herrn­dorf und sein Buch »Arbeit und Struk­tur« – Lite­ra­tur – Kath­rin Pas­sig über Wolf­gan Herrn­dorf, sein Blog/​Buch, das Pro­blem der Ster­be­hil­fe und die Schwie­rig­keit, sich „ver­nünf­tig“ selbst zu töten.

    Man hat es nicht leicht mit den Schrift­stel­lern. Sie ver­tre­ten ihre Mei­nung schön und über­zeu­gend, auch wenn es sich um eine mäßig durch­dach­te Mei­nung han­delt. Eben­so schwie­rig ist es mit ihren Freun­den. Als ich zusag­te, die­sen Bei­trag zu schrei­ben, woll­te ich für eine bes­se­re Rege­lung der Ster­be­hil­fe in Deutsch­land plä­die­ren – nicht gera­de für die Extrem­form der Libe­ra­li­sie­rung, die Herrn­dorf sich wünsch­te, aber doch dafür, dass Ster­be­wil­li­ge es leich­ter haben soll­ten als er. Aber vor dem Gesetz besteht kein Unter­schied zwi­schen mei­nem Wunsch und denen ande­rer Hin­ter­blie­be­ner, die aus aku­tem Unglück her­aus die Todes­stra­fe für Kin­der­mör­der for­dern, ohne sich dafür zu inter­es­sie­ren, dass das Recht noch ande­re Situa­tio­nen als die ihre zu berück­sich­ti­gen hat.

    Es ist ein­fach, anhand von Arbeit und Struk­tur die Nach­tei­le des bestehen­den Sys­tems zu kri­ti­sie­ren. Aber es ergibt sich kei­nes­wegs ein­fach dar­aus, wie ein ande­res Sys­tem aus­zu­se­hen hät­te.

  • Publi­ka­ti­on von „Mein Kampf“ – „Der Auf­trag ist gestoppt“ – Süddeutsche.de – die spin­nen wirk­lich in Bay­ern: Nach 70 Jah­ren hin und her um Hit­lers „Mein Kampf“ beschlie­ßen sie nun, das sei volks­ver­het­zend und bla­sen kur­zer­hand die schon ziem­lich weit fort­ge­schrit­te­ne wis­sen­schaft­lich kom­men­tier­te Edi­ti­on des IfZ ab.

    Nun trifft die Staats­re­gie­rung die Ent­schei­dung im Allein­gang. Das Buch sei volks­ver­het­zend, sag­te Staats­kanz­lei­che­fin Hadert­hau­er. Wenn Ver­la­ge das Buch in Zukunft ver­öf­fent­li­chen woll­ten, wer­de die Staats­re­gie­rung Straf­an­zei­ge stellen./

  • ZDF-Geschichts­fern­se­hen: Pein­lichs­te Miss­ge­schi­cke der Histo­ry – FAZ – Nach­dem ich gele­sen habe, was Ste­fan Nig­ge­mei­er über die ZDF-Ver­su­che, mit Geschich­te Fern­se­hen und Quo­te zu machen, geschrie­ben hat, möch­te ich mir den Kram wirk­lich nicht mehr anse­hen:

    Manch­mal wirkt es, als muss­ten die Autoren blind in einen Con­tai­ner mit wie­der­zu­ver­wer­ten­dem Mate­ri­al grei­fen und es irgend­wie zu einem gemein­sa­men Ober­be­griff zusam­men­klöp­peln.

  • xkcd: File Exten­si­ons – xkcd ist heu­te mal wie­der außer­ge­wöhn­lich gut:
  • Twit­ter /​medieval­gill: Fee­ling fris­ky? Pls con­sult … – RT @AndyKesson: For tho­se who missed it, the medieval sex flow chart, cour­te­sy of @sirthopas and @medievalgill. Stop! Sin!
  • Zustell­pra­xis von Paket­diens­ten: Post war da – Geld – Süddeutsche.de – Jour­na­lis­mus ist anders: Eine SZ-Schrei­be­rin hat ihr Paket nicht bekom­men. Und schimpft. Ohne die Gegen­sei­te zu hören
  • Georg Büch­ner: Aus­stel­lung zum 200. Geburts­tag | ZEIT ONLINE – Der Tages­spie­gel ist von der Darm­städ­ter Büch­ner-Aus­stel­lung auch nicht so ganz begeis­tert:

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén