Gut, so ganz neu ist es nicht mehr. Aber manch­mal dau­ert es eben etwas, bis Musik aus dem Alpen­land den Weg zu mir gefun­den hat ;-). Kürz­lich bekam ich also end­lich die neue Schei­be des Low Fre­quen­cy Orches­tra (LFO) in die Hän­de: „Mole“ (bei chma­fu nocords). Es hat ja eine gute Wei­le gedau­ert, seit S aus dem Jah­re 2007 (damals noch bei ein­klang records), bis die Man­nen und Frau­en mal wie­der was von sich hören lie­ßen. Oder auch nicht: Denn der Kern zu Mole wur­de auch schon 2007 gelegt, mit der Auf­nah­me der Mole im ORF-Stu­dio – die natür­lich noch erheb­lich wei­ter bear­bie­tet wur­de. Dafür haben sie für Mole nun noch den mei­ner­seits sehr geschät­zen Kom­po­nis­ten und Orga­nis­ten Wolf­gang Mit­te­rer dazu­ge­holt (bei dem Album­ti­tel (und der ent­spre­chen­den Cover-Art) müss­te man wohl sagen: Ins Boot geholt.).

Was bie­tet die „Mole“ also? Fünf slugs und eine Mole aus­weich­lich des Track­lis­tings. Die slugs sind kur­ze Impres­sio­nen von zwei bis vier Minu­ten, jeweils von einem Mit­glied des LFO ver­ant­wor­tet. Die eigent­li­che „Mole“ ist dann ein gro­ßes, halb­stän­di­ges Gemein­schafts­werk. Man kann viel­leicht sagen: „S“ hat­te mehr Detail­reich­tum, mehr Plas­ti­zi­tät des Klangs – zumin­dest in der Erin­ne­rung auch mehr aus­ge­gli­che­ne Ruhe, die den aus­ge­feil­ten, mini­ma­lis­ti­schen Expe­di­tio­nen in unbe­kann­te Klang­wel­ten erst die not­wen­di­ge Basis, den hilf­rei­chen Anker, einen fes­ten (Bezugs-)Punkt gaben. Ich habe gera­de noch ein­mal nach­ge­hört: Die Erin­ne­rung trügt nicht.

Die „slugs“ sind da etwas anders: schon der hef­ti­ge Ein­stieg bei Angé­li­ca Cas­tel­ló, der uns voll­kom­men unvor­be­rei­tet (immer wie­der …) ins kal­te Was­ser schmeißt, die Unmit­tel­bar­keit, mit der es hier zur Sache und um alles geht – das ist neu. Und span­nend, und über­ra­schend, und ganz oft uner­war­tet: Es scheint fast so, als such­te LFO hier jetzt im Raum des Klan­ges mög­lichst abrup­te Wen­dun­gen. Das geht in den kur­zen Stü­cken ziem­lich kreuz und quer – lang­wei­lig ist das kei­nes­falls. Viel­leicht liegts ja an der klein­tei­li­gen, kon­zen­trier­ten Form: Aber die Ima­gi­na­ti­on scheint mir eini­ge Gra­de wil­der, unge­zähm­ter, blü­hen­der zu sein als vor eini­gen Jah­ren. Viel­leicht daher auch der sehr dis­kon­ti­nu­ier­li­che Ein­druck, der manch­mal ver­däch­tig nach feh­len­dem Ziel, abwe­sen­dem Form­prin­zip klingt … Wenn man aber weiß, dass das so etwas wie Visi­ten­kar­ten oder Kon­zept­pa­pie­re der ein­zel­nen Musi­ker sind/​sein sol­len, wird man­ches kla­rer. Aber erstaun­lich bleibt: Irgend­wie sind das fünf voll­kom­men eigen­stän­di­ge, total ver­schie­de­ne Din­ge. Und doch bil­den sie dann – gleich im Anschluss – so etwas wie eine Ein­heit: Im Modus des LFO ist der Ein­zel­ne kaum noch zu ent­de­cken, sind Klän­ge udn Spiel­wei­sen nicht (mehr) einer Per­son zuzu­ord­nen (Auch die Instru­men­te bie­ten da kaum Hil­fe­stel­lun­gen – wann klin­gen sie hier schon mal allei­ne und pur?). Mathi­as Kochs slug ist z.B. unver­gleich locker, dünn­schich­tig, hell­schei­nend und ‑sich­tig. Maja Oso­j­nik gibt sich grun­dier­ter, modu­liert mehr als Klän­ge (ab- und aufzu-)brechen, lässt die Ideen schwei­fen. Tho­mas Grill ver­liert sich in den end­lo­sen Fein­hei­ten Digi­ta­li­ens ganz wun­der­bar brä­sig bruz­zelnd und knis­ternd. Mati­ja Schel­lan­der schließ­lich ver­knüpft digi­ta­les und anlo­ges Tie­fen­schar­fes auf ganz bestimmt sehr bedeu­tungs­vol­le Wei­se.

Im gro­ßen „Mole“ ist das sozu­sa­gen klas­si­scher: kom­ple­xer vor allem zunächst mal, unge­heu­er dicht geschich­tet – wor­an Mit­te­rer aus­weich­lich der benutz­ten Klang­er­zeu­ger kei­nen gerin­gen Anteil hat. Viel Span­nung, viel Erwar­tung spielt hier mit, auch der Wil­le zum Aus­druck und die unbe­zähm­te Frei­heit in genau die­sem bre­chen ganz deut­lich her­vor. Manch­mal bil­den sich dann gehörg sku­ri­le Momen­te aus die­sem Kon­glo­me­rat, vor allem aber span­nen­de Ent­de­ckun­gen. Auch der „Freu­de schö­ne Göt­ter­fun­ken“ klingt von Fer­ne wie­der an und durch, genau wie am Schluss von „S“. Musik hören wird hier (bzw. kann!) zur Selbst­be­fra­gung: Was hat das gewursch­tel da mit mir zu tun? Oder über­haupt mit irgend jeman­den? Was löst das aus? Was ändert das? .….… Ganz ver­ges­sen gerät dabei die sowie­so blöd­sin­ni­ge Fra­ge: Was will der/​die Künst­ler damit sagen? – Ver­mut­lich gar nichts, er will, dass ich was sage/​denke …

Jeden­falls: Auch wenn es auf der „Mole“ nicht weni­ge Momen­te der vorübergehenden/​scheinbaren/​täuschenden Ruhe gibt, ist Bewe­gung, Ver­än­de­rung, Fluk­tua­ti­on das Wesent­li­che­re – wie auf einer Mole halt. Klar, die­se Gemein­sam­keit von Ruhe und Bewe­gung in einer Musik, das ist irgend­wie para­dox. Aber was soll’s? Wer, wenn nicht Kunst, darf Para­do­xe para­dox sein las­sen? Der Hörer muss es halt aus­hal­ten (die­je­ni­gen, die sich so etwas anhö­ren, haben mit so etwas meist wenig Pro­ble­me) und irgend­wie mit­ma­chen.

Man kann dann sagen, das sei sub­ver­si­ve Musik (Bad Alche­my deu­tet das an und ver­weist gleicht noch auf den Maul­wurf, der hier sein Unwe­sen trei­be). Aber das ist doch irgend­wie egal. Denn die „Mole“ von LFO und Mit­te­rer ist jeden­falls ganz sicher Musik/​Klang/​Ereignis, das selbst nur ganz weni­ge Kon­stan­ten kennt und aner­kennt, das sich die Frei­heit nimmt, frei zu sein – was in der Pra­xis der Rea­li­tät ja blö­der­wei­se wahn­sin­nig schwie­rig und anstren­gend ist. Dafür kann man den Musi­kern kaum genug dan­ken: Dass sie hier – im Klang (wo auch sonst? in der Spra­che geht so etwas wahr­schein­lich gar nicht (mehr)) – Wege, Löcher, Mög­lich­kei­ten im Leben und um es her­um zei­gen – ob man was draus macht, bleibt jedem selbst über­las­sen …

Low Fre­quen­cy Orches­tra & Wolf­gang Mit­te­rer: Mole. Chma­fu Nocords 2010.