Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: forschung

Ins Netz gegangen (11.10.)

Ins Netz gegan­gen am 11.10.:

  • Hilti­bold: Wan­der­er zwis­chen Antike und Mit­te­lal­ter: Das potemkin­sche Dorf Cam­pus Gal­li — Ein kri­tis­ch­er Jahres­rück­blick — hilti­bold über die let­zten entwick­lun­gen am “cam­pus gal­li”, wo ange­blich ver­sucht wird, den st. gal­len­er kloster­plan mit mit­te­lal­ter­lichen tech­niken und mit­teln zu ver­wirk­lichen (tl,dr: viele verzögerun­gen, viele fehler und unsin­nigkeit­en, bish­er noch so gut wie nichts geschafft von den großen zie­len)
  • Autode­sign: Hüb­sch gefährlich | ZEIT ONLINE — Burkhard Straß­mann über die — vor allem für andere Verkehrsteil­nehmer, d.h. Fußgänger und Rad­fahrerin­nen — gefährliche “Ver­panzerung” der Autos durch die Desig­nen­twick­lun­gen der let­zten Jahre/Jahrzehnte, die immer schlechtere Sicht­en für PKW-Fahrer pro­duzieren
  • Das grosse Uni­ver­sum | Schröder & Kalen­der — rainald goetz über jörg schröder, die bun­desre­pub­lik, das leben und die welt — ein eigentlich für den spiegel 1984 geschrieben­er text, dort nicht gedruckt, hier von schröder & kalen­der der mit- und nach­welt über­liefert

    In Wirk­lichkeit erlebt jed­er vie­len, täglich Neues. Weit­ergegeben jedoch, berichtet, erzählt, schrumpeln die meis­ten Leben auf ein trost­los Alt­bekan­ntes zusam­men. Ein­fach weil es so schwierig ist, sich selb­st zu glauben, dem, was man sieht, was man denkt. Und beim Zuhören, noch mehr beim Lesen von Schrift gewor­den­em erzähltem Leben befällt einen man­is­che Trau­rigkeit, Schwäche, großes Matt­sein und Schmerz.

    Schröders Erzählen hinge­gen belehrt einen auf eine unschlag­bar unter­halt­same, wahrhaft komis­che Weise, wie genau die Radikalität aussieht, die vom eige­nen mick­rig­sten Küm­mer­lichkeit­seckchen genau­so unspek­takulär spricht wie vom eige­nen Größen­wahn, und wie genau an diesem Punkt, wo alle Ent­larvungs- und Selb­stent­larvungsab­sicht­en längst zu nicht ver­glüht sind, das Ich explodiert ins tröstlich Unbeson­dere, All­ge­meine, Ver­wech­sel­bare.

  • Sachal Stu­dios’ Take Five Offi­cial Video — nimm fünf! — geniale cov­erver­sion des dave brubeck/paul desmond-klas­sik­ers “take five” mit dem pak­istanis­chen sachal stu­dio orches­tra
  • Debat­te um Flüchtlinge:  Deutsche Werte manip­uliert — Kolumne — SPIEGEL ONLINE — die neue kolumne von mar­garet stokows­ki beim spiegel-online fängt gut an

    Wie hal­ten es diese Flüchtlinge mit der Gle­ich­stel­lung Homo­sex­ueller? Und respek­tieren sie die Rechte der Frauen? Aus­gerech­net Kon­ser­v­a­tive machen sich darüber jet­zt große Sor­gen — dabei waren ihnen diese The­men bish­er her­zlich egal.

  • dichterlesen.net — inter­es­santes archiv, mit span­nen­den fund­stück­en und großem ent­deck­ungspoten­zial …

    Dichterlesen.net ist ein gemein­sames Pro­jekt des Lit­er­arischen Col­lo­qui­ums Berlin (LCB) und des Deutschen Lit­er­at­u­rar­chivs Mar­bach (DLA) und seit dem 3. Okto­ber 2015 online. Gemein­sam haben es sich die kooperieren­den Ein­rich­tun­gen zum Ziel geset­zt, ihre Ver­anstal­tungsmitschnitte aus einem hal­ben Jahrhun­dert deutsch­er und inter­na­tionaler Lit­er­aturgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
    Das Herzstück des Pro­jek­tes bildet das Online-Tonar­chiv, in welchem die Audio-Auf­nah­men lit­er­arisch­er Ver­anstal­tun­gen (u.a. Lesun­gen, Diskus­sio­nen, Werk­stattge­spräche und Col­lo­qui­en) der beteiligten Insti­tu­tio­nen weltweit zum kosten­freien Nach­hören ange­boten wer­den.

  • Oliv­er Maria Schmitt Poschardts Kinder | TITANIC – Das endgültige Satiremagazin — oliv­er maria schmitt rech­net mit dem welt-feuil­leton ab — sehr tre­f­fend, sehr gemein & sehr gut:

    »Springer­ju­gend« nan­nte die linke Lügen­presse seine Boys und Girls. »Hitlers Kinder«, so sann es in Poschardts Polo, so nan­nte man doch früher mal sozusagen metapho­risch die Dep­pen von der RAF. Kohls Kind, das war er im Prinzip selb­st. Und Merkels Kinder, die schrieben ihm jet­zt das Feuil­leton voll. Die ehe­mals von den Linken monop­o­lisierte Protest- und Ran­daliergeste war nun im recht­en Main­stream angekom­men, analysierte der Dr. die Gesamt­lage auf den Straßen von Großber­lin. Und recht eigentlich waren es doch seine Kinder. Ja, das war die Poschardtju­gend, haha! Flink wie Schoßhunde, zäh wie Nap­paled­er und hart wie die Kro­nko­rken von Club-Mate.

  • Vor­würfe gegen von der Leyen: Unge­le­sene Dok­torar­beit­en? — sehr gute einord­nung von jür­gen kaube über das pro­mo­tion­swe­sen in deutsch­land, forschung, qual­i­fika­tion, lesen und schreiben …
  • NSU ǀ Geheime Kom­mu­nika­tion — der Fre­itag — der “Fre­itag” über hin­weise und indizien, dass der baden-würt­tem­ber­gis­che nsu-auss­chuss der exeku­tive — die er kon­trol­lieren soll — hin­weise auf aus­sagen und hin­weis­ge­ber weit­ergegeben hat.
  • Der Bib­lio­thekar als Gate­keep­er der Wis­senschaft | KSW Blog — michael knoche, direk­tor der her­zo­gin-anna-amalia-bib­lio­thek in weimar, über die notwendigkeit, auch heute unter bed­i­n­un­gen zumin­d­est teil­weis­er elek­tro­n­is­ch­er pub­lika­tion, in forschungs­bib­lio­theken noch/weiter samm­lun­gen aufzubauen
  • Wider die Aktengläu­bigkeit! Eine Lehrstunde bei Egon Bahr | Aktenkunde — die “Aktenkunde” über das dif­fizile zusam­men­spiel von akten und mem­oiren von poli­tik­ern, inter­es­sant dargestellt anhand egon bahrs:

    Quel­lenkri­tisch ist das natür­lich ein Prob­lem, denn Zirkelschlüsse dro­hen. Vor allem müssen His­torik­er in der Lage sein, die den “Erin­nerun­gen” zugrun­deliegen­den Unter­la­gen aktenkundlich einzuschätzen. Dazu erteilt Bahr in seinen Mem­oiren eine Lehrstunde: 1968 führte er als Pla­nungsstab­schef des Auswär­ti­gen Amts in Wien ein ver­traulich­es Sondierungs­ge­spräch mit dem pol­nis­chen Geschäft­sträger in Öster­re­ich, Jerzy Raczkows­ki. Um dieses Gespräch in seinen Mem­oiren darzustellen, hat­te Bahr in einem sel­te­nen Glücks­fall nicht nur seinen eige­nen Gesprächsver­merk zur Hand, son­dern auch den seines pol­nis­chen Gegenübers.

  • Apfel­ernte: Ohne Streuob­st­wiesen keinen Apfel­wein
  • Rebuild­ing Berlin’s Stadtschloss is an Act of His­tor­i­cal White­wash­ing | The May­bachufer — sehr richtig (und passiert lei­der nicht nur in berlin):

    By rebuild­ing the Stadtschloss in place of the Palast der Repub­lik, Berlin is air­brush­ing its own his­to­ry. East Ger­many hap­pened. Phys­i­cal­ly remov­ing the evi­dence of it from the heart of Berlin, replac­ing it with what was there before, pre­tend­ing it was nev­er there, is disin­gen­u­ous and it is dan­ger­ous.

Ins Netz gegangen (9.12.)

Ins Netz gegan­gen am 9.12.:

  • 30. Neo­histofloxikon oder Neue Floskeln braucht das Land | Geschichte wird gemacht — achim landwehr wird grund­sät­zlich:

    Es ist eigentlich immer an der Zeit, das eigene Denken über Ver­gan­gen­heit und Geschichte mal etwas durchzuschüt­teln und auf den grund­sät­zlichen Prüf­s­tand zu stellen.

  • Who is afraid of jazz? | JazzZeitung — “Wer hätte gedacht, dass ich sog­ar Bruck­n­er ein­mal span­nen­der und frenetis­ch­er find­en würde als neuen Jazz!”
  • Essay: Schläfrig gewor­den — DIE WELT — er osteu­ropa-his­torik­er karl schlögel wider­spricht in der “welt” den ver­fassern & unterze­ich­n­ern des aufrufes “wieder krieg in europa?” — meines eracht­ens mit wichti­gen argu­menten:

    Denn in dem Aufruf ist neben vie­len All­ge­mein­plätzen, die die Eigen­schaft haben, wahr zu sein, von erstaunlichen Din­gen die Rede. So lautet der erste Satz: “Nie­mand will Krieg” – so als gäbe es noch gar keinen Krieg. Den gibt es aber. Rus­sis­che Trup­pen haben die Krim beset­zt
    […] Aber­mals ist vom “Nach­barn Rus­s­land” die Rede: Wie muss die Karte Europas im Kopf der­er ausse­hen, die so etwas von sich geben oder mit ihrer Unter­schrift in Kauf nehmen! Pein­lich – und wahrschein­lich in der Eile von den viel beschäftigten, ern­sthaften Unterze­ich­n­ern nicht zur Ken­nt­nis genom­men – die Behaup­tung, Rus­s­land sei seit dem Wiener Kongress Mit­gestal­ter der europäis­chen Staaten­welt. Das geht viel weit­er zurück, wie auch Laien wis­sen, die schon von Peter dem Großen gehört haben. Und aus­gerech­net die Heilige Allianz zu zitieren, mit der die Teilung Polens zemen­tiert, die pol­nis­chen Auf­stände niederge­wor­fen und die 1848er-Rev­o­lu­tion bekämpft wor­den ist – das passt nicht gut zur Ern­sthaftigkeit eines um den Dia­log bemüht­en Unternehmens. Vom Molo­tow-Ribben­trop-Pakt – eine zen­trale Erfahrung aller Völk­er “dazwis­chen” und im 75. Jahr der Wiederkehr des Ver­trages, der den Zweit­en Weltkrieg möglich gemacht hat – ist im Text gar nicht die Rede, ein­fach zur Seite geschoben, “ver­drängt”.

  • Was bewegt Yvan Sag­net?: Hoff­nung der Sklaven | ZEIT ONLINE -

    Arbeit­er aus dem Sudan, aus Burk­i­na Faso, aus Mali, aus fast jedem Land Afrikas. In dreck­i­gen Män­teln suchen sie vor den Müll­haufen nach Ver­w­ert­barem. Es ist, als würde man durch einen düsteren, apoka­lyp­tis­chen Roman von Cor­mac McCarthy fahren. An den Feld­we­gen, die von den Land­straßen abge­hen, ste­hen Pros­ti­tu­ierte. Rumänin­nen und Bul­gar­in­nen. So sieht es aus, das Herz der ital­ienis­chen Tomaten­pro­duk­tion.

    — fritz schaap in der zeit über den ver­such des gew­erkschafters yvan sag­net, die mis­er­ablen bedin­gun­gen der arbeit­er in ital­ien, v.a. der ern­te­helfer, zu verbessern. der sagt u.a.

    “Der Käufer muss wis­sen: Wenn er in den Super­markt geht und ein Kilo­gramm ital­ienis­che Tomat­en für achtzig Cent kauft, dann wur­den diese Tomat­en von mis­er­abel ent­lohn­ten Arbeit­ern geern­tet, die man ohne Weit­eres als mod­erne Sklaven beze­ich­nen kann.”

  • Eine wichtige Infor­ma­tion der Vere­inigten Geheim­di­en­ste — YouTube — Bet­ter no Let­ter: Eine wichtige Infor­ma­tion der Vere­inigten Geheim­di­en­ste (siehe auch: The U.S.S.A. says: BETTER NO LETTER!)
  • Union kri­tisiert Ramelow-Wahl in Thürin­gen: Ver­lo­gene Heul­susen | tagesschau.de — wow, bei der ARD & der Tagess­chau ist jemand genau­so angewidert vom Ver­hal­ten der CDU in Thürin­gen wie ich
  • Forschung: So will doch kein­er arbeit­en! | ZEIT ONLINE — Forschung: So will doch kein­er an Unis arbeit­en! — Dieses Mal mit ein­er His­torik­erin
  • Zer­schla­gen, aber im Samm­lungskon­text erschließbar: In der Bay­erischen Staats­bib­lio­thek wurde über den Ankauf des Schott-Archivs informiert | nmz — neue musikzeitung — Zer­schla­gen, aber im Samm­lungskon­text erschließbar: Die Bestände des Archivs des Schott-Ver­lages teilen sich kün­ftig auf die Staats­bib­lio­theken München und Berlin sowie sechs Forschung­sein­rich­tun­gen auf. Über den Kauf­preis wurde Stillschweigen vere­in­bart.
  • So ent­stand der Mythos der “Trüm­mer­frauen” — Poli­tik — Süddeutsche.de — die sz lässt sich von der his­torik­erin leonie tre­ber noch ein­mal erk­lären, woher die “trüm­mer­frauen” kom­men:

    Es wurde ein äußerst pos­i­tives Bild dieser Frauen ver­mit­telt: Dass sie sich frei­willig und mit Freude in die harte Arbeit stürzen und den Schutt wegräu­men, um den Wieder­auf­bau voranzutreiben. Die PR war auch enorm wichtig, weil die Trüm­mer­räumer — wie zuvor erwäh­nt — stig­ma­tisiert waren und solche schw­eren Jobs bis dahin eigentlich nicht von Frauen erledigt wer­den soll­ten. Deshalb wurde das Bild der “Trüm­mer­frau” pos­i­tiv aufge­laden mit den Stereo­typen, die wir noch heute mit dem Begriff verbinden.

  • Mainz­er Schott-Musikver­lag: His­torisches Archiv wird öffentlich zugänglich — Rhein­land-Pfalz | SWR.de — “opti­male Erschließung” = Zer­störung des Zusam­men­hangs. Schott-Musikver­lag: Archiv wird öffentlich zugänglich
  • Hat die Jugend keinen Ehrgeiz mehr? | Blog Mag­a­zin — philipp tin­gler über die gegen­wart, die kul­tur und den ehrgeiz zum glück:

    Gegen­wär­tig leben wir in ein­er Gesellschaft, die Selb­st­per­fek­tion­ierung, die Arbeit am Ich, als Selb­st­genuss pos­tuliert; ein­er der let­zten Leitwerte in der irre­duz­i­blen Vielfalt der uns allen­thal­ten umgebe­nen Kontin­gen­zkul­tur ist: Authen­tiz­ität. Dafür ste­ht auch Diane von Fürsten­berg. Die Biografie als Pro­jekt. Wenn jet­zt also plöt­zlich alle aus ihrem Leben ein Kunst­werk machen wollen, dann ist das nicht nur ein ethis­ch­er, son­dern auch ein sehr ehrgeiziger Imper­a­tiv: Lebenswel­ten und ‑for­men wer­den ambi­tion­iert durchäs­thetisiert, und das Pathos der Selb­ster­schaf­fung richtet sich auf die bei­den grossen Ziele der Post­wach­s­tums­ge­sellschaft: Spass und Glück.
    […] Wir sehen also, dass Ehrgeiz dur­chaus nicht ver­schwun­den ist, son­dern sich nur verir­rt hat.

    seine ther­a­pie ist übri­gens ziem­lich ein­fach (und wahrschein­lich gar nicht so verkehrt): selb­stironie als die “schön­ste Form der Eigen­liebe”

  • Duden | Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an Damaris Nübling | — Der Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an @DFDmainz-Projektleiterin Damaris Nübling
  • E‑Books: Wir sind die Fährten­leser der neuen Lit­er­atur — Büch­er — FAZ — elke heine­mann über die vielfalt der neuen (kleine) e‑book-ver­lage:

    Dich­tung ist längst auch dig­i­tal: Auf der Suche nach E‑Books abseits des Main­streams führt der Weg in Deutsch­land vor allem nach Berlin. Doch die engagierten Spezialver­lage haben auch spezielle Prob­leme.

  • Gen­der-Debat­te: Anschwellen­der Ekelfak­tor | ZEIT ONLINE — wun­der­bar: robin det­je rech­net gnaden­los mit den kolum­nen­het­zern #ulfhar­ald­jan­matthias aber (schade nur, dass das bei der @Zeit wieder nie­mand lesen wird und har­ald deshalb weit­er die leser­schaft vergiften darf):

    Heute tobt die Schlussstrichde­bat­te Fem­i­nis­mus. Ende: nicht abzuse­hen. Alternde Män­ner an vorder­ster Front. Hoher Unter­hal­tungswert, aber auch anschwellen­der Ekelfak­tor. Die Argu­men­ta­tion wieder faszinierend: Fem­i­nis­mus gibt es inzwis­chen doch schon so lange, das nervt, Frauen ner­ven ja immer, und die Frauen wollen offen­bar tat­säch­lich, dass wir Män­ner unser Ver­hal­ten ändern, weshalb jet­zt wir die eigentlichen Opfer sind.
    […] Und deshalb husch, husch, ihr allmän­ner­mächti­gen Diskurs­be­herrsch­er, zurück in eure Eck­kneipe. Die jet­zt lei­der von einem Gen­der-Stud­ies-Les­ben‑, Transen- und X‑trupp über­nom­men wird, und ihr schiebt für eine Weile in der Küche Abwasch­di­enst.

    Entschuldigung, aber das wird man sich als aufgek­lärter, älter­er deutsch­er Mann doch noch wün­schen dür­fen.

  • “Fem­i­nis­mus kann niemals Lifestyle sein” • Denkw­erk­statt — gabriele michal­itsch im inter­view mit eini­gen sehr richti­gen beobach­tun­gen:

    Fem­i­nis­mus kann niemals Lifestyle sein, Fem­i­nis­mus ist immer poli­tisch. Wenn die Medi­en eine solche Diskus­sion befeuern, ist das eine Form von Antifem­i­nis­mus und der Ver­such, den Begriff Fem­i­nis­mus zu vere­in­nah­men, ihm seine poli­tis­che Rel­e­vanz abzus­prechen. Fem­i­nis­mus war zudem nie män­ner­feindlich, er wurde immer auch von Män­nern mit­ge­tra­gen. Wenn, dann wen­det er sich gegen bes­timmte Konzep­tio­nen von Männlichkeit – wie auch Weib­lichkeit. Wäre dieser ange­blich neue Fem­i­nis­mus nicht Gegen­stand öffentlich­er Debat­ten, müssten wir uns erst gar nicht damit auseinan­der­set­zen – in meinen Augen ist das eine antifem­i­nis­tis­che Strate­gie.

    und später auf den punkt gebracht:

    Wenn Fem­i­nis­mus auf Kar­riere mit Kindern reduziert wird, ist das das Ende des Fem­i­nis­mus.

Ins Netz gegangen (30.6.)

Ins Netz gegan­gen am 30.6.:

  • Leis­tungss­chutzrecht: Eine Farce nähert sich ihrem Höhep­unkt | ZEIT ONLINE — Till Kreuzter auf “Zeit Online” zu den neuesten Machen­schaften rund um das “Leis­tungss­chutzrecht”:

    Poli­tisch betra­chtet wird das Ganze immer absur­der. Schon die Ein­führung des LSR ent­behrte jeglich­er Begrün­dung und Recht­fer­ti­gung. Der Ver­such, zu dessen Durch­set­zung auch noch das Kartell­recht ad absur­dum zu führen, ist infam. Umso erstaunlich­er und beden­klich­er sind erste Anze­ichen, dass sich die Poli­tik erneut hin­ters Licht führen lässt.

  • Das Platzspitz-Trau­ma | Das Platzspitz-Trau­ma — Große, gut auf­bere­it­ete Geschichte im “Tage­sanzeiger” über die Zürich­er Dro­gen­szene in den Neun­zigern — und die entsprechen­den Prob­leme bis zur “Lösung”:

    Die riesige offene Dro­gen­szene in den Achtziger- und Neun­ziger­jahren zählt zu den grössten sozialen Katas­tro­phen Zürichs und der Schweiz über­haupt.

  • Wikipedia’s bureau­cra­cy prob­lem and how to fix it. — Dar­ius Jemiel­ni­ak, selb­st “Bürokrat” der Wikipedia, über das Bürokratie- (d.h. Regel-)Problem der Wikipedia:

    Cur­rent­ly, the Eng­lish Wikipedia has more than 50 offi­cial poli­cies with a word count close to 150,000 (enough for a thick book). But that’s just the tip of the admin­is­tra­tive ice­berg. In addi­tion to the poli­cies, there are guide­lines and essays—more than 450 devot­ed sole­ly to prop­er con­duct. You will also find more than 1,200 essays con­tain­ing com­ments on the poli­cies and guide­lines, advi­so­ry notes, and analy­ses of the com­mu­ni­ty. The total word count for all guide­lines and essays can eas­i­ly be in the mag­ni­tude of mil­lions. It is safe to assume that no one in the world knows them all, and that Wikipedi­ans real­ly wal­low in cre­at­ing norms and reg­u­la­tions. I should know—I am one. But this is mad­ness!

    Sein Lösungsvorschlag:

    A bureau­cra­cy-bust­ing squad of Wikipedi­ans, who active­ly use and edu­cate about the “ignore all rules” rule, should be rec­og­nized and com­mend­ed with­in the com­mu­ni­ty.

  • Manip­ulierte Face­book-Nutzer und unethis­che Forschung | Tage­büch­er der Wis­senschaft — Lars Fis­ch­er über die mas­siv­en ethis­chen Prob­leme der “Forschung”, die Face­book-Streams von Nutzern ohne deren Wis­sen und Ein­ver­ständ­nis manip­uliert
  • “Alle hat­ten das Gefühl, ange­grif­f­en zu wer­den” — Gedenk­jahr 1914 — derStandard.at › Wis­senschaft

strauss und das musiktheater — ein weites, aber sehr verholztes und ausgelaugtes feld

sam­mel­bände zu besprechen ist meist keine beson­ders dankbare auf­gabe — das edi­tieren allerd­ings oft auch nicht. die regelmäßig über­große zahl der beiträge, ihre method­is­che und the­ma­tis­che vielfalt und oft auch noch ihre stark divergierende qual­ität machen ein ein­heitlich­es urteil fast unmöglich. das gilt auch für den band “richard strauss und das musik­the­ater”, der die vorträge der gle­ich­nami­gen inter­na­tionalen fachkon­ferenz in bochum 2001 ver­sam­melt. schon der titel zeigt ja an, wie umfassend das spek­trum sein wird. zwei dutzend beiträge unter­schiedlich­sten umfangs und erken­nt­nis­dichte füllen dann auch gut vier­hun­dert seit­en. und die her­aus­ge­berin julia lieb­sch­er betont auch aus­drück­lich, das richard strauss aus allen möglichen blick­winkeln betra­chtet wer­den soll, im vere­in mit the­ater- und filmwis­senschaft, mit der libret­to­forschung und der dra­maturgie. den angestrebten “method­ol­o­gis­chen plu­ral­is­mus” hebt sie zudem beson­ders her­vor.

ein zweit­er leitgedanke, der die meis­ten arbeit­en prägt, ist die überzeu­gung von der moder­nität und fortschrit­tlichkeit sowie der “uni­ver­sal­ität” des strauss’schen oeu­vre: “zweifel­los ist strauss als let­zter musik­er der europäis­chen muikgeschichte zu würdi­gen, der jene uni­ver­sal­ität der musikalis­chen kul­tur repräsen­tierte, die in den plu­ralen kun­st­strö­mungen und spezial­isierun­gen des 20. jahrhun­derts endgültig zer­brochen ist” heißt es in der ein­führung von lieb­sch­er. den anhal­tenden ruhm strauss’ auf diese fak­toren zurück­zuführen, hat sich ja in den let­zten jahren — gegen etwa adornos früh­es verdikt — zunehmend durchge­set­zt.

der erste teil des ban­des ist “musikalis­che dra­maturgie” über­schrieben und wid­met sich vor allem den ver­schiede­nen for­men der über­führung des (theater-)textes in musik­the­ater. und obwohl er damit auf eine lange forschungstra­di­tion auf­bauen kann, ist er doch ins­ge­samt der schwäch­ste teil des ban­des. die meis­ten auf­sätze kauen näm­lich bloß — teil­weise sehr minu­tiös — die entste­hungs­geschicht­en, die prozesse der zusam­me­nar­beit zwis­chen libret­tist und kom­pon­ist, also die trans­for­ma­tio­nen von the­ater in oper bzw. musik­the­ater, durch. beson­dere erken­nt­nisse erwach­sen daraus nicht oder zumin­d­est arg sel­ten. eine deut­liche aus­nahme ist allerd­ings jür­gen mae­hders gekon­nte studie zur “klang­far­benkom­po­si­tion und drama­tis­chen instru­men­ta­tion­skun­st in den opern von richard strauss”. diese grundle­gende arbeit, eine instru­men­ta­tion­s­analyse in der nach­folge von egon wellesz, macht sich die “inter­de­pen­denz von klang­farbe und orch­ester­satz” mit der dra­matur­gis­chen aktion zu ihrem the­ma. und genau in dieser schnittmenge beg­ibt er sich auf die suche nach der werk­in­ten­tion — eine müh­same auf­gabe. vor allem die ein­führung neuer instru­mente, die erweiterung und verdich­tung des appa­rates lassen mae­hder dann strauss als nach­fol­ger und fort­set­zer der bemühun­gen richard wag­n­ers erken­nen — ein nach­fol­ger, der allerd­ings weit über seinen vorgänger hin­aus­re­icht. das vor­drin­gen in und aus­loten von grenzbere­ichen orches­traler klang­far­ben wie dem ton­höhen­losen akko­rd und dem über­gang zum geräusch, dem umschwung des ver­schmelzungsklanges in die ver­schleierung beto­nen die fortschrit­tlichkeit des opernkom­pon­is­ten: “durch wech­sel­seit­ige dena­turierung der einzel­nen töne erzeugte der kom­pon­ist das erste »syn­thetis­che geräusch« der musikgeschichte, den gren­z­fall extremen instru­men­ta­torischen raf­fine­ments.” und mit der hil­fe ein­er detail­lierten situ­ierung der strauss’schen tech­niken in der orches­tra­tionstech­nik des fin de siè­cle kann mae­hder zu dem schluss kom­men, dass mit strauss der abschied von der epig­o­nalen nach­folge des musik­dra­mas aus der “ein­sicht in das inner­ste sein­er musikalis­chen sprache” vol­l­zo­gen wor­den sei.

der zweite teil, “insze­nierung — darstel­lung — gesang” vesam­melt einige über­legun­gen zur auf­führung­sprax­is. joachim herz als prak­tik­er propagiert den begriff der “werkgerechtigkeit” anstelle der für ihn unmöglichen “werk­treue” und legt anhand der “frau ohne schat­ten” die beweg­gründe sein­er insze­nierung dar. dabei kreist er in erster lin­ie um das prob­lem der ver­ständlichkeit — eine insze­nierung solle, so herz, sich darum bemühen, text, musik und vor allem die bühne, d.h. let­ztlich die ganze insze­nierung beson­ders zur “exp­lika­tion der fabel” zu nutzen — im falle sein­er “frau ohne schat­ten” wäre das für ihn ein “hohe­lied von der verän­der­barkeit des men­schen”.

peter-michael fis­ch­er liefert eine sehr grundle­gende und tech­nisch solide arbeit zu den “anforderun­gen an die pro­fes­sionelle sänger­stimme” und reflek­tiert dabei vor allem das prob­lem des “opern­mu­se­ums”: jede zeit­epoche hat nicht nur ein anderes stim­mide­al, son­dern auch andere stimmtech­nis­chen fähigkeit­en und möglichkeit­en, die es heute sowohl bei der beset­zung als auch bei der inter­pre­ta­tion entsprechend zu berück­sichti­gen gilt. im falle strauss sieht er das beson­dere in der etablierung eines neuen, aus dem natür­lichen sprach­duk­tus entwick­el­ten gesangsstil durch den kom­pon­is­ten, der den bel­can­to um neue anforderun­gen — bed­ingt durch die erweit­erte ver­to­nung von sprache — ergänzt. thomas see­dorf ver­voll­ständigt diese aus­führun­gen mit seinem beitrag “kom­pos­i­torische rol­lenkonzep­tion und sän­gerische real­isierung” im wesentlich details. see­dorf kann näm­lich anhand der vor­bere­itung der urauf­führun­gen zeigen, dass strauss, immer der the­ater­re­al­ität verpflichtet, “im prag­ma­tis­chen umgang mit dem eige­nen werk” zu großen konzes­sio­nen hin­sichtlich der details der stimm­führung bere­it war, um aus darstel­lerisch und musikalis­chen grün­den gewün­scht­en sän­gerin­nen die entsprechen­den par­tien zu ermöglichen und fol­gert daraus: “strauss hat auf seinem ursprünglichen ide­al nicht bestanden, son­dern andere inter­pre­ta­tio­nen zuge­lassen.” eine solche, näm­lich die ari­adne-insze­nierung von jos­si wiel­er und ser­gio mora­bito, nimmt sich robert braun­müller zum gegen­stand. er liefert eine aus­führliche auf­führungs­analyse und ver­gle­icht dabei die konkrete insze­nierung­sprax­is mit den vor­gaben von strauss — mit ernüchtern­dem ergeb­nis. “seit jahren erschöpfen sich die meis­ten insze­nierun­gen in der kon­tinuier­lichen fort­führung ein­er tra­di­tion.”

von dort aus ist der weg nicht weit zur unter­suchung der rezeption(sgeschichte): die im drit­ten teil ver­sam­melten beiträge beto­nen durch­weg die flex­i­bil­ität des kom­pon­is­ten hin­sichtlich der werk­treue — solange die “inten­tion” gewahrt blieb oder ihr damit gar gedi­ent wurde, war strauss zu kürzun­gen und umstel­lun­gen, in guten augen­blick­en sog­ar zur umar­beitung fähig.

während roswitha schlöt­ter­er-traimer bei ihrer unter­suchung der “muster­auf­führun­gen” unter clemens krauss in münchen immer­hin noch so etwas wie eine grund­ten­denz der insze­nieren­den inter­pre­ta­tion, näm­lich das “streben nach größt­möglich­er deut­lichkeit” find­et, beg­nügt sich gün­ther lesnig gle­ich mit ein­er reinen daten­samm­lung zu den salome-auf­führun­gen in wien, mai­land und new york. son­st glänzt der dritte, mit “rezep­tion” über­schriebene teil vor allem durch seine glan­zlosigkeit. hans-ulrich fuss kann in sein­er unter­suchung ver­schied­ner auf­nah­men der salome immer­hin zeigen, dass es bei strauss nicht immer sin­nvoll ist, möglichst exakt zu spie­len: bes­timmte tex­turen fordern die undeut­lichkeit als eigen­ständi­ges ästhetis­ches attrib­ut über­haupt erst her­aus. und mar­tin elste macht sich einige gedanken über den unter­schied ein­er oper als tonauf­nahme oder als the­ater: grund­ver­schiedene tem­pi-notwendigkeit­en für entsprechende dra­matur­gis­che effek­te fordert er etwa. vor allem aber: “das bloße hören ein­er oper kommt dem ein­tauchen in eine traum‑, in eine schein­welt gle­ich” — und kon­stantiert dann noch wenig über­raschend: “oper von schallplat­te wird primär als absolute musik gehört.” das verbindet er — ein wenig para­dox — mit der qua­si-natür­lichen bevorzu­gung der sprache, d.h. der gesangsstim­men bei tonauf­nah­men. er sieht dann darin auch eine nahezu ide­ale rezep­tion­sweise der oper — befre­it von allen neben­säch­lichkeit­en, als pur­er akustis­ch­er traum. das scheint mir aber dann doch ein arg­er fehlschluss, der viel zu stark von der per­sön­lichen fasz­i­na­tion des autors durch oper­nauf­nah­men aus­ge­ht — es gibt ja dur­chaus auch rezip­i­en­ten, die opern mehr oder weniger auss­chließlich in der kom­bi­na­tion aus akustis­chen und visuellen reizen genießen kön­nen.

anderes schließlich sam­melt sich unter der rubrik “triv­ia”: richard strauss’ leben und werke sind ja nicht ganz uner­forscht. da kann man sich also auch dur­chaus mal auf neben­schau­plätzen tum­meln und dort nach inter­es­san­tem mate­r­i­al suchen. der ertrag lässt freilich wiederum meist zu wün­schen übrig. und den­noch, schließlich ist strauss’ werk auch noch nicht wirk­lich umfassend und detail­liert unter­sucht — da böten sich dur­chaus noch möglichkeit­en für inter­es­sante analy­sen — die allerd­ings auch zeit­gemäße meth­o­d­en erforderten. aber damit hat, und das zeigt dieser band in sein­er gesamtheit eben auch, die musik­wis­senschaft nicht immer die glück­lich­ste hand: das meiste hier vesam­melte ist in dieser hin­sicht vor allem hochgr­a­dig unspek­takulär, unbe­darft bis unre­flek­tiert und arbeit­et mit alt­modis­ch­er, teil­weise auch ein­fach unzure­ichen­der methodik. dass etwa die musik strauss “an der lebendi­gen auf­führung ori­en­tiert” und “auf unmit­tel­bar sinnliche gegen­wart” aus­gerichtet ist (hans-ulrich fuss), wird zwar wieder­holt ange­merkt, schlägt sich in den analy­sen aber erstaunlich wenig nieder. ver­mut­lich ist genau das ein­er gründe, warum die erforschung der musik­the­ater­pro­duk­tion richard strauss’, wie sie dieser band präsen­tiert, oft so bieder und alt­back­en wirkt.

julia lieb­sch­er (hrsg.): richard strauss und das musik­the­ater. bericht über die inter­na­tionale fachkon­feren­ze bochum, 14. bis 17. novem­ber 2001. berlin: hen­schel 2005.

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