Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: aufnahme

Ins Netz gegangen (11.10.)

Ins Netz gegan­gen am 11.10.:

  • Hilti­bold: Wan­der­er zwis­chen Antike und Mit­te­lal­ter: Das potemkin­sche Dorf Cam­pus Gal­li — Ein kri­tis­ch­er Jahres­rück­blick — hilti­bold über die let­zten entwick­lun­gen am “cam­pus gal­li”, wo ange­blich ver­sucht wird, den st. gal­len­er kloster­plan mit mit­te­lal­ter­lichen tech­niken und mit­teln zu ver­wirk­lichen (tl,dr: viele verzögerun­gen, viele fehler und unsin­nigkeit­en, bish­er noch so gut wie nichts geschafft von den großen zie­len)
  • Autode­sign: Hüb­sch gefährlich | ZEIT ONLINE — Burkhard Straß­mann über die — vor allem für andere Verkehrsteil­nehmer, d.h. Fußgänger und Rad­fahrerin­nen — gefährliche “Ver­panzerung” der Autos durch die Desig­nen­twick­lun­gen der let­zten Jahre/Jahrzehnte, die immer schlechtere Sicht­en für PKW-Fahrer pro­duzieren
  • Das grosse Uni­ver­sum | Schröder & Kalen­der — rainald goetz über jörg schröder, die bun­desre­pub­lik, das leben und die welt — ein eigentlich für den spiegel 1984 geschrieben­er text, dort nicht gedruckt, hier von schröder & kalen­der der mit- und nach­welt über­liefert

    In Wirk­lichkeit erlebt jed­er vie­len, täglich Neues. Weit­ergegeben jedoch, berichtet, erzählt, schrumpeln die meis­ten Leben auf ein trost­los Alt­bekan­ntes zusam­men. Ein­fach weil es so schwierig ist, sich selb­st zu glauben, dem, was man sieht, was man denkt. Und beim Zuhören, noch mehr beim Lesen von Schrift gewor­den­em erzähltem Leben befällt einen man­is­che Trau­rigkeit, Schwäche, großes Matt­sein und Schmerz.

    Schröders Erzählen hinge­gen belehrt einen auf eine unschlag­bar unter­halt­same, wahrhaft komis­che Weise, wie genau die Radikalität aussieht, die vom eige­nen mick­rig­sten Küm­mer­lichkeit­seckchen genau­so unspek­takulär spricht wie vom eige­nen Größen­wahn, und wie genau an diesem Punkt, wo alle Ent­larvungs- und Selb­stent­larvungsab­sicht­en längst zu nicht ver­glüht sind, das Ich explodiert ins tröstlich Unbeson­dere, All­ge­meine, Ver­wech­sel­bare.

  • Sachal Stu­dios’ Take Five Offi­cial Video — nimm fünf! — geniale cov­erver­sion des dave brubeck/paul desmond-klas­sik­ers “take five” mit dem pak­istanis­chen sachal stu­dio orches­tra
  • Debat­te um Flüchtlinge:  Deutsche Werte manip­uliert — Kolumne — SPIEGEL ONLINE — die neue kolumne von mar­garet stokows­ki beim spiegel-online fängt gut an

    Wie hal­ten es diese Flüchtlinge mit der Gle­ich­stel­lung Homo­sex­ueller? Und respek­tieren sie die Rechte der Frauen? Aus­gerech­net Kon­ser­v­a­tive machen sich darüber jet­zt große Sor­gen — dabei waren ihnen diese The­men bish­er her­zlich egal.

  • dichterlesen.net — inter­es­santes archiv, mit span­nen­den fund­stück­en und großem ent­deck­ungspoten­zial …

    Dichterlesen.net ist ein gemein­sames Pro­jekt des Lit­er­arischen Col­lo­qui­ums Berlin (LCB) und des Deutschen Lit­er­at­u­rar­chivs Mar­bach (DLA) und seit dem 3. Okto­ber 2015 online. Gemein­sam haben es sich die kooperieren­den Ein­rich­tun­gen zum Ziel geset­zt, ihre Ver­anstal­tungsmitschnitte aus einem hal­ben Jahrhun­dert deutsch­er und inter­na­tionaler Lit­er­aturgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
    Das Herzstück des Pro­jek­tes bildet das Online-Tonar­chiv, in welchem die Audio-Auf­nah­men lit­er­arisch­er Ver­anstal­tun­gen (u.a. Lesun­gen, Diskus­sio­nen, Werk­stattge­spräche und Col­lo­qui­en) der beteiligten Insti­tu­tio­nen weltweit zum kosten­freien Nach­hören ange­boten wer­den.

  • Oliv­er Maria Schmitt Poschardts Kinder | TITANIC – Das endgültige Satiremagazin — oliv­er maria schmitt rech­net mit dem welt-feuil­leton ab — sehr tre­f­fend, sehr gemein & sehr gut:

    »Springer­ju­gend« nan­nte die linke Lügen­presse seine Boys und Girls. »Hitlers Kinder«, so sann es in Poschardts Polo, so nan­nte man doch früher mal sozusagen metapho­risch die Dep­pen von der RAF. Kohls Kind, das war er im Prinzip selb­st. Und Merkels Kinder, die schrieben ihm jet­zt das Feuil­leton voll. Die ehe­mals von den Linken monop­o­lisierte Protest- und Ran­daliergeste war nun im recht­en Main­stream angekom­men, analysierte der Dr. die Gesamt­lage auf den Straßen von Großber­lin. Und recht eigentlich waren es doch seine Kinder. Ja, das war die Poschardtju­gend, haha! Flink wie Schoßhunde, zäh wie Nap­paled­er und hart wie die Kro­nko­rken von Club-Mate.

  • Vor­würfe gegen von der Leyen: Unge­le­sene Dok­torar­beit­en? — sehr gute einord­nung von jür­gen kaube über das pro­mo­tion­swe­sen in deutsch­land, forschung, qual­i­fika­tion, lesen und schreiben …
  • NSU ǀ Geheime Kom­mu­nika­tion — der Fre­itag — der “Fre­itag” über hin­weise und indizien, dass der baden-würt­tem­ber­gis­che nsu-auss­chuss der exeku­tive — die er kon­trol­lieren soll — hin­weise auf aus­sagen und hin­weis­ge­ber weit­ergegeben hat.
  • Der Bib­lio­thekar als Gate­keep­er der Wis­senschaft | KSW Blog — michael knoche, direk­tor der her­zo­gin-anna-amalia-bib­lio­thek in weimar, über die notwendigkeit, auch heute unter bed­i­n­un­gen zumin­d­est teil­weis­er elek­tro­n­is­ch­er pub­lika­tion, in forschungs­bib­lio­theken noch/weiter samm­lun­gen aufzubauen
  • Wider die Aktengläu­bigkeit! Eine Lehrstunde bei Egon Bahr | Aktenkunde — die “Aktenkunde” über das dif­fizile zusam­men­spiel von akten und mem­oiren von poli­tik­ern, inter­es­sant dargestellt anhand egon bahrs:

    Quel­lenkri­tisch ist das natür­lich ein Prob­lem, denn Zirkelschlüsse dro­hen. Vor allem müssen His­torik­er in der Lage sein, die den “Erin­nerun­gen” zugrun­deliegen­den Unter­la­gen aktenkundlich einzuschätzen. Dazu erteilt Bahr in seinen Mem­oiren eine Lehrstunde: 1968 führte er als Pla­nungsstab­schef des Auswär­ti­gen Amts in Wien ein ver­traulich­es Sondierungs­ge­spräch mit dem pol­nis­chen Geschäft­sträger in Öster­re­ich, Jerzy Raczkows­ki. Um dieses Gespräch in seinen Mem­oiren darzustellen, hat­te Bahr in einem sel­te­nen Glücks­fall nicht nur seinen eige­nen Gesprächsver­merk zur Hand, son­dern auch den seines pol­nis­chen Gegenübers.

  • Apfel­ernte: Ohne Streuob­st­wiesen keinen Apfel­wein
  • Rebuild­ing Berlin’s Stadtschloss is an Act of His­tor­i­cal White­wash­ing | The May­bachufer — sehr richtig (und passiert lei­der nicht nur in berlin):

    By rebuild­ing the Stadtschloss in place of the Palast der Repub­lik, Berlin is air­brush­ing its own his­to­ry. East Ger­many hap­pened. Phys­i­cal­ly remov­ing the evi­dence of it from the heart of Berlin, replac­ing it with what was there before, pre­tend­ing it was nev­er there, is disin­gen­u­ous and it is dan­ger­ous.

Ins Netz gegangen (17.2.)

Ins Netz gegan­gen am 17.2.:

  • Was man als klein­er Ver­lag so alles mit dem Buch­han­del erlebt | Seit­en­flügel — ein (sehr) klein­er ver­lag über seine erfahrun­gen mit dem hohen “kul­turgut” des deutschen buch­han­dels (und ama­zon zum ver­gle­ich):

    Viele kleine Buch­händler haben keineswegs erkennbar mehr Ver­ständ­nis für kleine Ver­lage. Sie wet­tern zwar her­zlich gern gegen Konz­erne und Monop­o­lis­ten, aber wenn man mit ihnen zu tun hat, ist ihr geschäftlich­er Ego­is­mus oft keinen Deut geringer als bei den Großun­ternehmen.

  • The­ologe Friedrich Wil­helm Graf — “Wir haben Reli­gion notorisch unter­schätzt” — graf, wie meis­tens sehr ver­ständig und klug, in einem sehr lesen-/hörenswerten inter­view mit deutsch­landra­dio über reli­gio­nen, mod­erne und ihre bedeu­tung:

    Ich weiß nicht, warum Beliebigkeit so etwas Schlimmes oder Schlecht­es sein soll. Wir müssen ein­fach mit der Tat­sache klarkom­men und dies akzep­tieren ler­nen, dass in den entschei­den­den Fra­gen unseres Lebens jed­er für sich selb­st oder jede für sich selb­st ver­ant­wortlich ist.

  • René Jacobs: “Ich beste­he auf meinem Recht, kreativ zu sein” — The­ater an der Wien — derStandard.at › Kul­tur — rené jacobs über seine arbeit, den “bar­bi­ere” von gio­van­ni paisiel­lo heute aufzuführen und dem kom­pon­is­ten gerecht zu wer­den:

    Es ist natür­lich gut, wenn man weiß, was ein Auto­graf enthält. Aber Oper war immer ein Work in Progress. Und ich beste­he auf meinem Recht, auch kreativ sein zu dür­fen.

  • Equa­tion Group: Spi­onage­soft­ware der Superla­tive ent­deckt | ZEIT ONLINE — es ist kaum zu glauben: aber es geht immer noch etwas grausiger, wenn nsa & co. im spiel sind

    Sie ver­steckt sich unlöschbar auf Fest­plat­ten und spi­oniert hochrangige Ziele aus: Antiviren­spezial­is­ten ent­deck­en extrem aus­ge­feilte Mal­ware mit Par­al­le­len zu Stuxnet.

  • SZ-Leaks: Schle­ich­wer­bung für Steuer­hin­terziehung | klar und deut­lich -

    Off­shore-Leaks, Lux-Leaks und jet­zt Swiss-Leaks: Die Süd­deutsche Zeitung ist das Stur­mgeschütz des Finan­zamts. Die Redak­tion veröf­fentlicht regelmäßig Infor­ma­tio­nen aus inter­nen Bankun­ter­la­gen, an die sie durch Whistle­blow­er kommt. Was die Zeitung nie erwäh­nt: Dass sie selb­st ihre Leser auf die Steuer­hin­terziehung im Aus­land hingewiesen hat und sich dafür von den Banken bezahlen ließ. Ich war damals in der Redak­tion dafür zuständig. Es war das Jahr 2007, es war mein erster Job nach d…

  • Sam Tay­lor-John­sons „50 Shades of Grey“ in der Kri­tik — ha! (diet­mar dath war im kino):

    Dass freilich das sex­uell Anre­gend­ste an einem Sado­ma­so-Film von 2015 die Kun­st eines seit siebzehn Jahren toten Mafia-Unter­hal­ters ist, spricht Bände über die Tal­sohle der enthemmt-verklemmten Dauer­lust­sim­u­la­tion, in der sich die Massenkul­tur derzeit täglich laut­stark ver­sichert, dass heute ja zum Glück so gut wie nichts mehr ver­boten ist.

  • Klaus Theweleit: “2000 Light Years from Home” (Vor­trag zur Popgeschichte) -

    Vor­trag von Klaus Theweleit unter dem Titel “So tun als gäbe es kein Mor­gen oder: 2000 Light Years from Home”,gehalten am 3. Novem­ber 2011

    — eine art popgeschichte

  • Die Ober­schenkel der Nation | Blog Mag­a­zin — michèle bin­swanger über sportre­porter, frauen­sport und sex­is­mus

    Man kann dem Sportre­porter wohl kaum einen Vor­wurf machen. Schliesslich beste­ht die Haup­tqual­i­fika­tion für diesen Beruf vornehm­lich darin, schwitzende Men­schen danach zu fra­gen, wie sie sich jet­zt fühlen.

  • Inter­view mit Opern-Gram­my-Gewin­ner Burkhard Schmil­gun — das (eher kleine) osnabrück­er label hat einen gram­my gewon­nen — für die ein­spielung ein­er weit­ge­hend vergesse­nen char­p­en­tier-oper:

    Nie­mand hat uns Bescheid gesagt. Auch der Diri­gent und der Kün­stler nicht, die die Ausze­ich­nung offen­bar in klein­er Gruppe in Los Ange­les ent­ge­gen genom­men haben.

  • Die Inte­gra­tion läuft deut­lich bess­er als ver­mutet — Süddeutsche.de — felix stephan in der sz:

    Inte­gra­tion wird immer noch dann als gescheit­ert betra­chtet, wenn am Ende etwas anderes als ein zweites Mün­ster her­auskommt.[…] In den mod­er­nen Metropolen gebe es eigentlich nur eine Gruppe, die sich eine eth­nis­che Seg­re­ga­tion leis­ten könne, so El-Mafaalani: die Wohlhaben­den.

  • Fast­nacht in Mainz: Frauen sind auf den när­rischen Büh­nen Man­gel­ware — Vere­ine wagen sich an Erk­lärungsver­suche — All­ge­meine Zeitung — die mainz­er az über die rolle der frauen in der mainz­er fast­nacht — und die zähigkeit, mit der sie sich im sch­neck­en­tem­po ändert:

    Nach­dem der MCC seine Komi­tee­terin präsen­tiert habe, seien die Frauen eines anderen großen Vere­ins auf die Bar­rikaden gegan­gen, da diese dort auch im Komi­tee sitzen woll­ten. „Woraufhin uns die Män­ner dieses Vere­ins verärg­ert gefragt haben, wie wir damit nur anfan­gen kon­nten“, berichtet er.

    (gibt noch mehr schöne beispiele für sex­is­mus im text .…

  • Open Access? Veröf­fentlichen unter Auss­chluss der Öffentlichkeit — Taschw­er forscht nach — derStandard.at -

    So wird open access zum finan­cial excess: Um sich als Autor ein­er Buchbe­sprechung für eine Fachzeitschrift das Recht zu erwirken, die Rezen­sion online stellen zu dür­fen, ver­langt Wiley-VCH schlanke 2500 Euro vom Rezensen­ten.

Ins Netz gegangen (8.5.)

Ins Netz gegan­gen am 8.5.:

Ins Netz gegangen (8.1.)

Franz Liszt lebt

Jubiläen sind wohl nir­gends so wichtig wie in der Musik­branche. Zu jedem halb­wegs run­den Todes- und Geburt­stag wer­den die Pro­gramme geän­dert, jed­er meint, unbe­d­ingt etwas passendes aufzuführen (natür­lich aber nur, wenn es um “große” Kom­pon­is­ten geht). In die Kat­e­gorie “Jubiläumshype” passt auf den ersten Blick auch “The Liszt Project”, wie die Dop­pel-CD, die Pierre-Lau­rent Aimard — immer­hin ein­er mein­er allzeit-Lieblingspi­anis­ten — im Früh­jahr für die Deutsche Gram­mophon aufgenom­men hat.1 Aber diese zwei CDs erheben sich aus der Masse der Pflicht-Erin­nun­gen. Aus einem Grund: Pierre-Lau­rent Aimard. Der hat näm­lich (natür­lich) nicht ein­fach ein paar bekan­nte Liszt-Werke zusam­menge­sucht und aufgenom­men. Nein, er macht etwas anderes — etwas besseres: Er kon­fron­tiert einige, wenige aus­gewählte Liszt-Kom­po­si­tio­nen mit ganz viel ander­er Musik: Mit Wag­n­er (Klavier­son­ate As-Dur), mit Scri­abin und Rav­el, aber auch mit Bartók, Berg, Mes­si­aen und dem 1959 gebore­nen Mar­co Strop­pa. Und das hat ganz viel Sinn und Bedeu­tung — son­st würde er es ja nicht machen. Vor allem aber: Diese Kon­fronta­tion stellt Liszt in ganz ver­schiedene Tra­di­tion­szusam­men­hänge, zeigt — auch uner­wartete — Beziehun­gen. Und ergibt ein wun­der­bares Ganzes. Das Pro­gramm ist also — schon auf dem Papi­er — überzeu­gend. Aber das ist nicht alles.

Ich bin jeden­falls ger­ade total begeis­tert und fasziniert von dieser CD: Wahrschein­lich ist das in der Summe und im Detail eine der besten Klavier-CDs, die ich kenne (und besitze). Allein schon wegen der grandiosen Auf­nah­me­tech­nik, die dem Flügel eine unver­gle­ich­liche Präsenz ver­schafft,2 eine grandiose Detailau­flö­sung (auch im räum­lichen — jed­er Ton hat seinen eige­nen Platz!) hören lässt und ein­fach verblüf­fend real­is­tisch klingt.

Vor allem ist die CD aber großar­tig, weil sie musikalisch begeis­tert. Und das liegt, wenn man es auf den Punkt brin­gen will, an der lebendi­gen Genauigkeit, mit der Pierre-Lau­rent Aimard arbeit­et (spie­len mag das kaum nen­nen). Ger­ade die Vernüp­fung von unge­heuer detail­ver­liebter Genauigkeit, die wirk­lich an jedem Ton bis zur Ver­vol­lkomm­nung arbeit­et, mit der agogis­chen und phrasieren­den Lebendigkeit ist Aimards Marken­ze­ichen.3

Immer wieder fasziniert mich ja seine Fähigkeit, nicht nur die for­male Gestal­tung sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene vol­lkomen im Blick zu haben, son­dern vor allem seine unmen­schlich genaue klan­gliche Dif­feren­zierung (und ihre Diszi­plin­ierung), mit der er das Ton wer­den lässt.

Ein paar High­lights bish­er: Unbe­d­ingt die vitale, fast strahlende Sonate op. 1 von Alban Berg, die trotz ihrer Konzen­tra­tion ganz ungezwun­gen und natür­lich wirkt.

Dann selb­stver­ständlich die h‑moll-Sonate von Liszt selb­st:4 Kein pianis­tis­ches Bravourstück, keine trock­ene For­mübung und auch kein Kampf musikalis­ch­er Charak­tere: Das ist aus­geglichen, aber nie blass; ver­mit­tel­nd, aber alle Seit­en und Aspek­te genau vol­lziehen. Wahrschein­lich ist es ger­ade dieser Aspekt, möglichst viel­seit­ig zu spie­len, möglichst viele Facetten eines Werkes lebendig wer­den zu lassen, ohne einige oder wenige davon zu abso­lu­tieren, der mich hier und bei dem Rest der Auf­nahme so anzieht. Das ist in der Prax­is natür­lich nie ein­fach, weil so eine umfassender Inter­pre­ta­tionsver­such oft reich­lich blass und lang­weilig wirkt und nur den Ein­druck erweckt, der Inter­pre­ta­tion wolle es um jeden Preis ver­mei­den, einen Stand­punkt zu beziehen. Davon kann hier aber keine Rede sein.

Auch die/das (?) “Tan­ga­ta manu” von Mar­co Strop­pa ist beein­druck­end: Diese Musik passt fast naht­los zwis­chen Liszts Vogel­predikt des Franz von Assisi aus den “Année de Pélèri­nage, Band II und den Wasser­spie­len der Vil­la Este (aus Band III). Das ist auch eine Form, mod­erne und zeit­genös­sis­che Musik dem Hör­er nahezubrin­gen — ganz ohne großes didak­tis­ches Klim­bim, son­dern eben ein­fach als Musik, die man als Weit­er­en­twick­lung klassischer/romantischer Mod­elle hören kann.5 Über­haupt ist der zweite Teil/die zweite CD fast ein einziger Klan­grausch, durch­weg auf höch­stem Niveau. Auch Rav­els “Jeux d’eau” sind schlicht grandios.

Was mich (wieder ein­mal) aber ziem­lich abschreckt, ist die Gstal­tung der CD. Abge­se­hen davon, dass sie über­säht ist mit Aufmerk­samkeit­shasch­ern, mit mehrern Aufk­le­bern bek­lebt, ver­steckt sie ger­ade die wichti­gen Infor­ma­tio­nen — näm­lich die Spielfolge — ziem­lich gut. Dafür sind noch ein paar nichtssagende Sätze und über­schwänglich­es Lob draufge­druckt wor­den … Immer­hin, der Kom­pon­is­ten­name ist ein biss­chen größer als der Aimards — auch keine Selb­stver­ständlichkeit, bei vie­len CDs scheint der Inter­pret heute (zumin­d­est typografisch) wichtiger zu sein als der Kom­pon­ist. Dafür aber in ein­er reich­lich selt­samen, eigentlich unapssenden Schrift …

Schade auch, dass die Deutsche Gram­mophon, die doch so stolz auf ihre Tra­di­tion ist, dem kein vernün­ftiges Bei­heft mehr spendiert: Ein klitzek­leines Inter­view mit dem Pianis­ten ist da drin — son­st nichts. Kein­er­lei mehr oder weniger ana­lytis­chen Anmerkun­gen, keine (musik-)historischen Einord­nun­gen, nichts. So kann man das Niveau auch immer wieder unter­bi­eten …

Davon mal abge­se­hen (und das merkt man beim Hören ja glück­licher­weise nicht): Eine CD zum glück­lich Wer­den. Ein­deutig.

The Liszt Project. Pierre-Lau­rent Aimard spielt Bartók, Berg, Mes­si­aen, Rav­el, Scri­abin, Strop­pa, Wag­n­er und Liszt. Deutsche Gram­mophon 2011.

Show 5 foot­notes

  1. Warum das als “Pro­jekt” verkauft wird, ist mir vol­lkom­men unklar — abge­se­hen davon, dass “Pro­jekt” irgend­wie mod­ern und hip klingt (klin­gen soll). Schließlich ist das nichts anderes als die Stu­diover­sion eines erprobten Konz­ert­pro­gramms.
  2. Das ist — obwohl das Klavier ja sozusagen ein Stan­dard­instru­ment ist — alles andere als die Regel!
  3. Seine Auf­nahme der Bach­schen “Kun­st der Fuge” weist — in ganz anderem Zusam­men­hang — eben­falls genau diese Qualität(en) auf.
  4. Sehr sin­nvoll übri­gens auch, die h‑moll-Sonate an den Schluss des ersten Teils zu stellen — das Ende, die let­zten Töne, mit denen auch die erste CD auskling, wirken so ein­fach grandios …
  5. Wobei der Umstand, dass Liszt (nicht nur) hier als fast pro­to-mod­ern­er Kom­pon­ist gezeigt wird, sozusagen die andere Seite dieser Medaille ist.

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