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Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

leise rieselt der schnee

in die­sem jahr auch an ostern – ist ja kein kunst­stück, wenn das schon mit­te märz ist … jeden­falls fing es an kar­frei­tag nach­mit­tags an, im oden­wald zu schnei­en. bis zum sams­tag mor­gen hat­te sich dann selbst im müm­ling­tal etwas schnee ange­sam­melt. und ich bin dann tat­säch­lich so blöd und leicht­sin­nig gewe­sen, mei­nen wöchent­li­chen lan­gen lauf auf die höhen­dör­fer zu legen: über bull­au woll­te ich nach würz­berg und dann über einen klei­nen abste­cher nach bay­ern, näm­lich durch box­brunn, nach eul­bach und zurück ins tal.

zunächst ließ es sich auch ganz gut an: die bei­ne waren recht locker (am frei­tag hat­te ich nur zeit für eine hal­be stun­de tem­pol­auf). aber schon nach der ers­ten vier­tel­stun­de, im wald hin­term buch­wald­s­kopf, bemerk­te ich, wie sehr der immer tie­fer wer­den­de locke­re und pulv­ri­ge neu­schnee mich beim lau­fen behin­der­te. das stück wan­der­weg zwi­schen son­nen­weg und kreis­stra­ße war dann beson­ders hart: unter den ca. 10–15 cm schnee war kein fes­ter boden, son­dern nur eine ziem­lich aus­ge­präg­te matsch­schicht – halt war da über­haupt nicht zu fin­den. da konn­te ich bei jedem schritt spü­ren, wie die kraft in den waden weni­ger wur­de. und einen schuh hät­te ich in so einem matschloch unter dem schnee auch bei­na­he noch ver­lo­ren …

auf der stra­ße nach bull­au hoch ging es dann aber doch noch recht gut. auf der höhe ent­schied ich mich aller­dings schon zur ers­ten stre­cken­än­de­rung: die eigent­lich geplan­te schlei­fe übers was­ser­werk und den orts­rand war noch nie­mand gegan­gen, der schnee lag hier inzwi­schen 20 cm hoch – das war mir zu viel. also bin ich gleich zum bullau­er bild hin­über. bis dahin war der weg geräumt. dann muss­te ich aller­dings doch in den saue­ren apfel bei­ßen: die stre­cke nach würz­berg war noch unbe­rührt. und spä­tes­tens ab der hälf­te wur­de es doch recht anstren­gend: eigent­lich hät­te ich hier schnee­schu­he gebraucht – mei­ne trail­fox waren jeden­falls mit dem losen schnee etwas über­for­dert … in würz­berg ent­schloss ich mich dann, doch schon frü­her von den höhen wie­der her­un­ter­zu­stei­gen und bin den bekann­ten weg über erns­bach ins drei­se­en­tal, wo ich dann noch zwei run­den dreh­te – mit enor­mer anstren­gung, nur noch von der wil­lens­kraft vor­an­ge­trie­ben. her­aus kam dann: 34 km in 3:04:03 – nicht sehr berau­schend, ange­sichts der umstän­de aber ok. aller­dings war ich – wie sich vor allem am mon­tag zeig­te – doch erheb­lich stär­ker ver­aus­gabt und erschöpft als es sinn­voll war.

geist vs. natur

der streit zwi­schen geis­tes- und natur­wis­sen­schaf­ten ist uralt. und stink­lang­wei­lig, weil es eigent­lich über­haupt kei­ne rol­le spielt. immer wie­der inter­es­sant zu beob­ach­ten sind aber die orte und die grün­de, an denen die­se front wie­der neu beschwo­ren, beob­ach­tet oder beackert wird. hier ist mal wie­der ein gegen­an­griff: eigent­lich ist der viel behaup­te­te, auf wil­helm dil­they zurück gehen­de unter­schied zwi­schen geis­tes­wis­sen­schaf­ten und natur­wis­sen­schaf­ten, näm­lich die unter­schei­dung ver­ste­hen – erklä­ren, längst nich­tig. meint zumin­dest sibyl­le krä­mer:

„Es greift zu kurz, die Geis­tes­wis­sen­schaf­ten in die Schub­la­de blo­ßer Deu­tungs­wis­sen­schaf­ten zu ste­cken oder gar als Kom­pen­sa­ti­ons­me­cha­nis­men instru­men­tel­ler Ver­nunft zu hand­ha­ben. Viel­mehr haben Geis­tes­wis­sen­schaf­ten immer auch eine dop­pel­te Funk­ti­on: sie sind Wis­sen­schaft von Rea­li­en und lie­fern zugleich Ori­en­tie­rungs­wis­sen (Sinn, Wer­te …).
Geis­tes­wis­sen­schaf­ten for­schen über Rea­li­en, also über ‚Gegen­stän­de‘, die immer auch in Raum und Zeit situ­iert sind (oder waren). Über­dies sind alle wis­sen­schaft­li­chen Gegen­stän­de inter­pre­ta­ti­ons­ab­hän­gig und dies gilt gera­de auch für die ‚epis­te­mi­schen Din­ge‘ der Natur­wis­sen­schaf­ten. Geis­tes­wis­sen­schaf­ten haben es nicht nur mit Sinn und Bedeu­tung zu tun, son­dern immer auch mit Kul­tur­tech­ni­ken, Pra­xis­for­men, Medi­en­struk­tu­ren ud sym­bo­li­schen Gram­ma­ti­ken, ohne wel­che die Gene­se und Zir­ku­la­ti­on von Sinn und Bedeu­tung nicht erklär­bar wäre. Daher ist die Demar­ka­ti­ons­li­nie von ‚Erklä­ren‘ und ‚Ver­ste­hen‘ kein geeig­ne­tes Unter­schei­dungs­kri­te­ri­um zwi­schen Natur- und Geis­tes­wis­sen­schaf­ten.”

(das zitat ist geklaut von der „guten stu­be”.)

Frank­reich hat viel zu bie­ten – auch musi­ka­lisch. Wirk­lich bekannt und gut ver­tre­ten in den deut­schen Kon­zert­sä­len ist davon aber nur sehr wenig. Allein schon des­halb ist die Frank­reich-Rei­se des Phil­har­mo­ni­schen Orches­ters unter Cathe­ri­ne Rück­wardt sehr zu begrü­ßen

Ohne sich aus den beque­men Thea­ter­ses­seln erhe­ben zu müs­sen, darf man das Orches­ter beim 6. Sin­fo­nie­kon­zert auf eine kur­ze tour d’ho­ri­zon beglei­ten. Die Rei­se­lei­te­rin Cathe­ri­ne Rück­wardt hat­te die Schäf­chen ihrer Rei­se­grup­pe dabei per­ma­nent fest unter Kon­trol­le. Und sie bot eine über­aus sach­kun­di­ge Füh­rung durch die frem­den musi­ka­li­schen Land­schaf­ten und Sehens­wür­dig­kei­ten.

Die ers­te Sta­ti­on war die Orches­ter­be­ar­bei­tung des Priè­res op. 20 von César Franck. Mit viel Ruhe und vol­ler Innig­keit strahl­ten die sat­ten Strei­ch­er­klän­ge und bezau­ber­ten die solis­ti­schen Ein­la­gen der Holz­blä­ser.

Für die zwei­te Attrak­ti­on zog die Rei­se­lei­tung noch die Hil­fe eines exter­nen Exper­ten hin­zu: Der jun­ge Vio­li­nist Barn­abás Kele­men sorg­te für den rich­ti­gen Blick­win­kel auf Hen­ri Dutil­leux Noc­turne „Sur le même accord“. Die­ses obses­si­ves Krei­sen um einen Akkord hat vie­le lan­ge und getrag­ne, melan­cho­lisch-ver­han­gen umher­schwei­fen­de Pas­sa­gen. Aber auch so eini­ge Brü­che und raue Kan­ten fin­den sich hier – ein sehr viel­sei­ti­ges Gebil­de, ein inne­res Pan­op­ti­kum. Im Staats­thea­ter gab es sich fili­gran zise­liert, oft fast ver­schnör­kelt. Kele­men sorg­te mit druck­vol­lem Strich und exakt dosier­tem Ein­satz dafür, dass es nicht zu ver­spielt wur­de. Sei­ne Ernst­haf­tig­keit und Gerad­li­nig­keit führ­te immer wie­der zu ver­blüf­fen­den Klang­ef­fek­ten.

Viel Zeit zum Stau­nen blieb aller­dings auch hier nicht, denn schon ging es wei­ter zur nächs­ten Sehens­wür­dig­keit. Noch blieb der Gei­ger zur Unter­stüt­zung des Orches­ters bei der drit­ten Sta­ti­on. Hier waren die Rol­len jetzt kla­rer ver­teilt, in Camil­le Saint-Saens „Intro­duc­tion et Ron­do capric­cio­so“: Kele­men führ­te die­ses Mal mit Über­schwang und wil­den Engan­ge­ment – selbst Rück­wardt schau­te gebannt immer wie­der hin­über, was der Solist denn da so trieb. Und bei­de berausch­ten sich am for­schen Spiel­witz und vita­len Klang­sinn des Kon­zert­stücks.

Danach konn­te die Diri­gen­tin wie­der allei­ne die Füh­rung über­neh­men. Und wie sie das tat: Francks Sin­fo­nie d‑Moll setz­te noch ein­mal ganz neue Akzen­te. Wie eine gru­se­li­ge Schau­er­mu­sik, düs­ter und mäch­tig, führt das Orches­ter die­se Sin­fo­nie mit beein­dru­cken­der Geschmei­dig­keit und ele­gant aus­ge­form­ten, strei­chelz­ar­ten Samt­klän­gen aus wei­ter Fer­ne ins Main­zer Thea­ter. Und so ging der span­nen­de Aus­flug ins Nach­bar­land schon wie­der zu Ende – scha­de, dass es nur eine kur­ze Stipp­vi­si­te war.

marlene streeruwitz‘ „der abend …“ beim neuen verlag weissbooks

das ist nun also mein ers­tes buch des neu­en ver­la­ges weiss­books: mar­le­ne stre­eru­witz: der abend nach dem begräb­nis der bes­ten freun­din. was sofort auf­fällt: das hand­li­che for­mat. es ist nur eine sehr schma­les bänd­chen, gera­de mal 60 sei­ten – dafür ist es unver­schämt teu­er. weiss­books ist der neue ver­lag des ehe­ma­li­gen geschäfts­füh­rers des suhr­kamp-ver­la­ges, rei­ner weiß, der den frank­fur­ter ver­lag im ungu­ten ver­ließ und jetzt sein eige­nes ding auf­zieht. die inne­re aus­stat­tung und gestal­tung sieht – wenig über­ra­schend – auf­fäl­lig nach suhr­kamp-büchern aus – wo das wohl her­kommt. dafür gibt sich das gan­ze (noch sehr beschei­de­ne) ver­lags­pro­gram­me ein­fach und sim­pel, außen sind die büchet wohl­tu­end schlicht: rei­nes schwarz-weiß – das ist mal ganz nett. aller­dings steht dann der ver­lags­na­me auch rich­tig groß auf dem umschlag – das fin­de ich wie­der­um etwas befremd­lich. und was das .w am ende soll (weissbooks.w), ist mir auch nicht so klar. genau­so wenig wie der grund, war­um ein deut­scher ver­lag …books hei­ßen muss. aber damit ist er ja nicht der ein­zi­ge. der satz ist übri­gens in mei­nen augen nur mit­tel­mä­ßig – mir sind die rän­der zu klein, auch bei einem sol­che klei­nen for­mat. aber immer­hin ist er regis­ter­hal­tig und mit absichts­vol­ler ver­mei­dung von schus­ter­jun­gen und huren­kin­dern – das ist ja schon mehr als bei fast allen gro­ßen deut­schen ver­la­gen heu­te zu bekom­men ist.

der text ist übri­gens sehr schön – ein ech­ter stre­eru­witz, so gese­hen: knapp und deut­lich, aber nie gefühl­los; über­legt, aber nicht intel­lek­tu­ell-ver­quast. er beschreibt den abschied einer frau von „der bes­ten freun­din” – das defi­ni­tiv­pro­no­men (anstel­le eines übli­chen pos­se­siv-pro­no­men) im titel ist gleich schon typisch für die autorin: es gibt nicht so sehr die (emo­tio­na­le) ver­ein­nah­mung von figu­ren durch den autor bzw. von figu­ren inner­halb des tex­tes, es wird immer eine wohl­tu­en­de, manch­mal etwas kühl wir­ken­de distanz gewahrt. die ich-erzäh­le­rin sin­niert also ange­sichts des begräb­nis­ses über tod und ster­ben nach, über abschied und (weiter-)leben: „sie war so damit beschäf­tigt, das ster­ben ernst zu neh­men, daß sie den tod über­se­hen hat.” (30) wie immer bei stre­eru­witz sind ihre cha­rak­te­re mehr oder min­der allein – was nicht unbe­dingt per se schlecht sein muss: „dann gehen wir bei­de in unse­re allein­wel­ten.” (33) und das nach­den­ken über das ster­ben – „ich weiß nicht, wie man das machen soll. ster­ben. wie die­se panik. die angst vor dem sarg. schon die vor­stel­lung den kör­per sprengt. panik. und kei­ne atta­cken. ein ste­tes anwach­sen. als müß­te die angst alles aus­fül­len, um dem tod kei­nen platz zu las­sen.” (50) – wird natür­lich ver­deckt und offen, bewusst und unbe­wusst für die erzäh­le­rin, zum nach­den­ken und sin­nie­ren über das (rich­ti­ge) leben. und weil das alles so schön unauf­ge­regt, ohne auf­ge­bla­se­ne empha­se, daher­kommt, wirkt es auch so authen­tisch. nur den schluss, den habe ich nicht so recht ver­stan­den: die letz­ten sei­ten ist der erzähl­text zur lyrik auf­ge­löst, mit kurz­zei­len in gleich­mä­ßi­gem zei­len­fall, mit noch mehr luft – das erschloss sich mir bis­her nocht nicht.

mar­le­ne stree­ur­witz; der abend nach dem begräb­nis der bes­ten freun­din. frank­furt am main: weiss­books 2008.

schubert is not dead

na, wer hät­te das gedacht ;-). aber in der tat, wenn ich mir die­se bei­den cds anhö­re (schu­bert is not dead, pump­kin records 2007) wird wie­der ein­mal klar, wie belast­bar schu­berts lie­der (denn nur dar­um geht es hier) auch im 21. jahr­hun­dert sind. die ers­te schei­be ist ganz der (lei­der nicht kom­plet­ten) win­ter­rei­se gewid­met, die zwei­te springt dann kreuz und quer durch das rest­li­che voka­le schaf­fen schu­berts. gut, alles ist nicht gera­de gro­ße kunst, man­ches ist auch für mich zu tra­shig und lo-fi. aber so alles in allem ist das doch eine net­te idee – und weil die meis­ten der (mir sowie­so unbe­kann­ten, vor­wie­gend offen­bar öster­rei­chi­schen) musi­ker sich nicht gera­de skla­visch an schu­berts noten­text hal­ten, den kern aber doch in der regel recht gut tref­fen, ist das eine der bes­se­ren „aktua­li­sie­run­gen” eines klas­si­schen kom­po­nis­ten der let­zen jahr(zehnt)e. anhö­ren!

die ersten 1000 km sind geschafft

mit dem lauf von bin­gen nach mainz habe ich heu­te die gren­ze über­schrit­ten: die ers­ten 1000 km sind in die­sem jahr gelau­fen. trotz des etwas ver­hal­te­nen beginns ist das gar nicht so schlecht: 2,5 mona­te. wenn ich so wei­ter mache, dürf­te das mit den 5000 km in 2008 (eines mei­ner eher locke­ren zie­le für die­ses jahr) sogar klap­pen – wenn nichts dazwi­schen kommt.

der ultramarathonmann

als vor­be­rei­tung auf den renn­steig-super­ma­ra­thon sozu­sa­gen schon ein­mal pas­sen­de lek­tü­re: dean kar­na­zes‘ ultra­ma­ra­thon­man. aus dem leben eines 24-stun­den-läu­fers (riva 2008). eini­ge beein­dru­cken­de lauf­schil­de­run­gen ver­sam­melt er dort, vor allem die erfah­rung sei­nes ers­ten offi­zi­el­len ultras, des 100 mei­len-lau­fes wes­tern sta­tes endu­rance. danach wird’s dann etwas, nun­ja, ver­rückt: bad­wa­ter hal­te ich ja schon für grenz­wer­tig, aber einen mara­thon zum süd­pol – das ist schon etwas selt­sam. und es hat ja selbst für sol­che läu­fer nur mit bie­gen und bre­chen funk­tio­niert. ansons­ten ganz net­tes büch­lein (lei­der nicht sehr inspie­rend über­setzt – höhen­an­ga­ben in fuß hel­fen mir nicht sehr viel …), das immer wie­der um den gedan­ken kreist, war­um men­schen eigent­lich sol­che extre­me din­ge tun. und das vor allem so ehr­lich ist, dar­auf kei­ne wirk­li­che ant­wort zu haben. ange­nehm auch, dass er rein auf sich selbst fixiert bleibt: plat­zie­run­gen und ergeb­nis­se spie­len (fast) gar kei­ne rol­le: hier – zumin­dest in dem buch – geht es kar­na­zes um das erleb­nis des lau­fens, die erfah­rung der über­win­dung aller mög­li­chen schmer­zen …

so eini­ges wah­res steht da drin: „Lau­fen bedeu­te­te in ers­ter Linie: raus­ge­hen und Erfah­run­gen sam­meln. Ich sah, wie Gebäu­de ent­stan­den, wie die Vögel nach Süden zogen, un ich Wech­sel der Jah­res­zei­ten sah ich die Blät­ter fal­len und die Tage kür­zer wer­den“ (s. 30) – es ist im prin­zip banal und so ziem­lich jeder läu­fer hat dies wohl schon bemerkt. aber es stimmt. naja, von der art gibt es eine men­ge beob­ach­tun­gen und mei­nun­gen hier.

muntermacher am morgen und am abend

ich hät­te nie gedacht, dass das funk­tio­niert: raja­ton sings abba with lah­ti sym­pho­ny orches­tra. und dass ich so eine cd wirk­lich mag. aber es ist pas­siert. gera­de höre ich sie wie­der ein­mal, mei­ne momen­ta­ne lieb­lings-a-cap­pel­la-grup­pe: die fin­ni­schen raja­ton. (in finn­land ist die­se cd übri­gens ein gigan­ti­scher hit gewe­sen). und es ist enorm bemer­kens­wert, wie dicht die orches­ter­par­ti­tur am ori­gi­nal ist – das ist ziem­lich klas­se. und natür­lich die sän­ge­rin­nen und sän­ger: das fas­zi­nie­ren­de an raja­ton ist ja gene­rell ihre rie­si­ge band­brei­te an voka­len klang­far­ben. und hier wird das wie­der ein­mal deut­lich: sie klin­gen unwahr­scheinl sehr nach dem ori­gi­nal – nur ein tick bes­ser – gesang­lich gese­hen. noch eine neben­be­mer­kung: die songs von abba, das ist mir beim hören wie­der ein­mal sehr klar gewor­den, zäh­len ohne fra­ge zum bes­ten der pop-geschich­te – ech­te kunst­wer­ke schon, nahe an der per­fek­ti­on. das bes­te die­ser cd sind aber wirk­lich die rei­nen a‑cap­pel­la-ver­sio­nen (obwohl money, money, money auch nicht schlecht und vor allem der unwirk­lich zwar­te anfang von the win­ner takes it all bedrü­ckend schön ist): da ist etwa das ver­blüf­fen­de vou­lez-vous (mit zusätz­li­cher human beat­box), da einen enor­men dri­ve hat und wirk­lich groovt. und dann head over heels – das fängt fast harm­los, zieht dann mit sei­ner klang­li­chen macht aber total in den bann (auch wenn es nicht zu mei­nen abba-lieb­lings-songs gehört). und schließ­lich, ganz gro­ße kunst, bezau­bernd vom ers­ten voka­len trom­mel­wir­bel bis zum schluss­ton, fas­zi­nie­rend und ein­neh­mend: fer­nan­do. ganz gro­ße musik – thank you for the music, the song and the sin­ging!

raja­ton sings abba with lah­ti sym­pho­ny orches­tra. plast­in­ka records 2006.

darjeeling tukdah 2007 ftgfop1 f.f.

noch einer von den fei­nen, hoch­klas­si­gen dar­jee­lings aus dem ange­bot von kolod­ziej & lie­der. ein tee, den man viel trin­ken kann – oder könn­te, wenn man sich den nicht ganz nied­ri­gen preis leis­ten möch­te ;-). auf jeden fall: zart und frisch, sehr bele­bend, mit einer ange­neh­men wür­ze, ins­ge­samt sehr fein, ele­gant und har­mo­nisch: aus­ge­spro­chen kul­ti­viert eben. wie gesagt: dar­an kann man sich gewöh­nen …

zube­rei­tung: 13 gramm tee für 1,5 liter kochen­des was­ser, 2:15 minu­ten zie­hen las­sen (eher noch etwas kür­zer – bei län­ge­ren zieh­zei­ten ver­liert er doch etwas).

ausgespielt

in der tat, „aus­ge­spielt” hat nor­man lebrecht. er behaup­tet zwar, die „klas­sik­in­dus­trie” habe aus­ge­spielt. klas­sik­in­dus­trie meint übri­gens hier nur die majors der plat­ten­la­bels. und das ist eines der größ­ten pro­ble­me des autors: er sieht immer nur die hal­be wahr­heit, ist aber fel­sen­fest über­zeugt, dass er unbe­stech­lich bis auf den grund der tat­sa­chen sieht. sei­ne tat­sa­chen sind aber einer­seits ziem­lich banal, ande­rer­seits – und das lei­der viel häu­fi­ger – klatsch und tratsch. davon ist auch sei­ne schrei­be bestimmt – ziem­lich ner­vend, das gan­ze. z.b. zitiert er lie­bend ger­ne irgend­wel­che mana­ger oder musi­ker (vor­wie­gend diri­gen­ten …), die aber alle nichts sagen oder schrei­ben, son­dern stöh­nen, keu­chen, seuf­zen, jubi­lie­ren oder was auch immer … (das fast alle quel­len für die­se zita­te schrift­lich sind und über den akt des spre­chens nichts aus­sa­gen, ist da nur neben­säch­lich). in der tat, und das ist auch so ein pro­blem, kann lebrecht nur per­so­na­li­sie­ren: es sind nicht irgend­wel­che struk­tu­ren oder markt­ver­än­de­run­gen oder geschmacks­wan­del oder neue publi­ka, die den markt der majors beein­träch­ti­gen, son­dern immer nur – ganz weni­ge natür­lich – per­so­nen, die sei­ner mei­nung nach offen­bar nur in ihrer eige­nen rea­li­tät leben. auf die dau­er nervt das gan­ze ziem­lich, weil die eigent­li­chen infor­ma­tio­nen dar­in ver­schütt gehen und der kern der sache sowie­so ver­lo­ren ist. dass sich um die drei, vier gro­ßen labels inzwi­schen eine rie­si­ge men­ge mitt­le­rer und klei­ner labels gebil­det hat, die durch­aus erfolg­reich ope­rie­ren und den markt ver­sor­gen kön­nen, regis­triert lebrecht nur am ran­de – sein aktu­ells­tes bei­spiel dafür ist naxos, die inzwi­schen ihre ehe­mals vor­rei­ter­rol­le ja auch schon eine gan­ze wei­le ein­ge­büßt haben.

beson­ders abar­tig sind dann die ver­sam­mel­ten auf­nah­me-kri­ti­ken: da arbei­tet lebrecht näm­lich genau­so. er erzählt lie­ber irgend­wel­che klatsch­ge­schich­ten über die ent­ste­hung der plat­te oder cd, als sich mit den musi­ka­li­schen ergeb­nis­sen zu beschäf­ti­gen … nun­ja, ich fand’s aus­ge­spro­chen dürf­tig und sehr ent­täu­schend .…

nor­man lebrecht: aus­ge­spielt. auf­stieg und fall der klas­sik­in­dus­trie. mainz: schott 2007.

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