Fünf Män­ner allei­ne in einer ita­lie­ni­schen Renais­sance-Vil­la: Selbst­ver­ständ­lich fan­gen die an zu sin­gen. Ganz stil­echt ertö­nen dort natür­lich Madri­ga­le des 16. Jahr­hun­dert, wie es zur Bau­zeit der Vil­la Godi von Anto­nio Pal­la­dio, die der Fil­me­ma­cher Gün­ter Atteln mit­samt ihrem Park als Dreh­ort für den Musik­film gewählt hat, passt.

amarcord, book of madrigals„The Book of Madri­gals“: Der Titel der ers­ten eige­nen DVD des Ensem­ble Amar­cord (neben der bereits 2010 ver­öf­fent­lich­ten Doku­men­ta­ti­on von Chris­toph Scholtz) lehnt sich natür­lich an die gleich­na­mig Auf­nah­me des Quin­tetts von 2007 an, ohne jedoch das sel­be Reper­toire auf­zu­wei­sen – immer­hin hat seit­dem auch der zwei­te Tenor gewech­selt. Auf­nah­me- und Reper­toire-Erfah­rung hat das Quin­tett, das merkt man, genau wie die lan­ge Rou­ti­ne (das Ensem­ble singt ja schon seit mehr als zwan­zig Jah­ren), auch wenn dies ihre ers­te Auf­nah­me beweg­ter Bil­der ist. So arg bewegt sind die dann aber doch nicht: Drei bis fünf Män­ner sit­zen oder ste­hen in dem alten Gemäu­er her­um und sin­gen, ab und an unter­stützt von der Gam­bis­tin Hil­le Perl, dem Lau­te­nis­ten (und Gitar­ris­ten) Lee San­ta­na und dem Tromm­ler Micha­el Metz­ler. Viel mehr pas­siert in den mini­mal ange­deu­te­ten Sze­nen nicht. Die pit­to­res­ke Umge­bung (und die wech­seln­de Gar­de­ro­be) sorgt trotz­dem für net­te Bil­der. Vor allem gibt sie der Kame­ra die Mög­lich­keit, durch den Park oder über die schö­nen Wand- und Decken­ma­le­rei­en zu schwei­fen. Das Schöns­te bleibt den­noch die Ton­spur die­ser klei­nen Euro­pa­tour, mit der Amar­cord die Ubi­qui­tät des Madri­gals in der Renais­sance betont: Eng­land – natür­lich mit Dow­land wür­dig ver­tre­ten -, Frank­reich, Deutsch­land und Ita­li­en sind selbst­ver­ständ­lich dabei, mit di Las­so, Gesu­al­do, Gom­bert, Wil­laert und Schütz. Aber auch das Spa­ni­en des Gol­de­nen Zeit­al­ters gehört dazu, das mit zwei fast vul­gä­ren Madri­ga­len von Juan del Enci­na ver­tre­ten ist.

Viel bekann­tes ist zu hören – das man aber nicht immer in so har­mo­nisch aus­ta­rier­ten Klän­gen gebo­ten bekommt. Amar­cord singt auch für den Film weich und geschmei­dig, bleibt immer aus­ge­wo­gen und klar in den Details – man merkt die lan­ge Beschäf­ti­gung mit die­ser Musik. Neben aller Kunst­fer­tig­keit ist da durch­aus auch Platz für mehr oder weni­ger deut­li­ches Augen­zwin­kern und für pos­sier­li­che Fri­vo­li­tä­ten (die vor allem Juan del Enci­na bei­steu­ert), die sich dann nicht nur hören las­sen, son­dern auch in der Mimik der Sän­ger sicht­bar wer­den. Und das gehört ja ja genau­so zur Geschich­te des Madri­gals wie die jauch­zen­den Lie­bes­be­schwö­run­gen oder weh­mü­ti­ge Blick zurück, das vom Abschieds­schmerz ver­schlei­er­te Geden­ken an die schö­ne­ren Tage und die ver­gan­ge­ne Lie­be (nahe­zu per­fekt führt Amar­cord das in Gom­berts „Trist départ“ vor), bei denen die Sän­ger schau­spie­le­risch zurück­hal­ten­der agie­ren.
Nicht nur sin­gend, auch in den kur­zen Inter­view­schnip­seln beto­nen die Sän­ger die über­zeit­li­che Gül­tig­keit der hier in Musik gefass­ten Gefüh­le und Ideen, machen aber nicht wie die Kings‘ Sin­gers mit ihrer „Madri­gal Histo­ry Tour“ eine klin­gen­de Vor­le­sung dar­aus. Dazu passt auch, dass die Unter­ti­tel lei­der nur die über­setz­ten Tex­te bie­ten: „The Book of Madri­gals“ ist eben vor allem ein Film zur Musik.

Amar­cord: The Book of Madri­gals. DVD 2014.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­ga­be Sep­tem­ber 2014.