Bach ist ein magi­scher Name. Nicht nur wegen Johann Sebas­ti­an und sei­nem rie­si­gen und genia­len Oeu­vre, son­dern auch ganz für sich. Denn aus die­sen vier Buch­sta­ben B‑A-C‑H lässt sich wun­der­bar Musik machen – eine Tat­sa­che, die schon Bach selbst und vor allem sei­ne Söh­ne aus­ge­nutzt haben. So rich­tig Kon­juk­tur hat­te die­ses klei­ne, aber unver­kenn­ba­re Motiv dann aber in der Roman­tik: Immer wie­der nutz­ten Kom­po­nis­ten die klei­ne Ton­fol­ge, um ihre Reve­renz an den Meis­ter aus dem Barock aus­zu­drü­cken. Ganz beson­ders weit ver­brei­tet war das natür­lich bei den Orgel­kom­po­nis­ten, war doch Johann Sebas­ti­an Bach gera­de im 19. Jahr­hun­dert vor allem als genia­ler Schaf­fer von Orgel­mu­sik bekannt.

Dani­el Beck­mann, der Main­zer Dom­or­ga­nist, hat sich das jetzt bei sei­nem Kon­zert an der neu­en Orgel in St. Ste­phan für ein Kon­zert zu nut­ze gemacht, das sich ganz um Bach dreht, ohne ihn selbst zu Gehör kom­men zu las­sen. Zumin­dest nicht in der Ori­gi­nal­ge­stalt: Denn neben drei der wohl wich­tigs­ten und bekann­tes­ten B‑A-C-H-Bear­bei­tun­gen von Liszt, Reger und Schu­mann stell­te er Orgel­tran­skri­pi­tio­nen von Kan­ta­ten­sät­zen. Gewich­ti­ger kamen aber die Ori­gi­na­le aus dem 19. Jahr­hun­dert daher. Gleich zu Beginn setz­te Franz Liszts „Prä­lu­di­um und Fuge über den Namen B‑A-C‑H“ einen gran­dio­sen Auf­takt. Natür­lich ist die­ses Werk immer mehr oder weni­ger mit­rei­ßend – aber unter Beck­manns Hän­den und Füßen gewann es beson­de­re Kraft. Das lag vor allem dar­an, dass er immer im Moment war: Jeder Takt, jede Phra­se durf­te in sei­ner Inter­pre­ta­ti­on ihr Eigen­le­ben voll­stän­dig aus­le­ben. Unge­ach­tet der gefor­der­ten Vir­tuo­si­tät und der zu orga­ni­sie­ren­den Klang­mas­sen wur­de das dadurch eine sehr hörer­freund­li­che Vari­an­te. Denn Beck­mann nutz­te die viel­fäl­ti­gen, genau abge­stimm­ten Klang­far­ben der neu­en Orgel geschickt, um Prä­lu­di­um und Fuge in plas­ti­scher Gerad­li­nig­keit zu zei­gen: Klar­heit und Klan­g­le­ben­dig­keit ver­ban­den sich bei ihm zu gro­ßen Momen­ten.

Zurück­hal­ten­der gab er sich bei den ers­ten drei Fugen über B‑A-C‑H aus der Feder Robert Schu­manns. Und das nicht ohne Grund, eine gewis­se Stren­ge ist hier durch­aus ange­bracht. Zumal Beck­mann es nie über­treibt, son­dern auch die ver­hal­te­ne Begeis­te­rung die­ser Fugen ganz sub­til – und dar­in unge­heu­er vir­tu­os – zu einer fast schwe­re­los-mythi­schen Aura zu stei­gern ver­mag.
Ans Ende sei­nes Pro­gramms hat­te Beck­mann die „Fan­ta­sie und Fuge über B‑A-C‑H“ von Max Reger gestellt – eine wahr­haft gewal­ti­ge und rie­si­ge Ver­beu­gung vor Bach. Wie ein Vul­kan­aus­bruch beginnt die­se Fan­ta­sie, erup­tiv und vol­ler unge­bän­dig­ter Kraft – und der fol­gen­de Lava­strom reißt alles mit sich. Bei Beck­mann wur­de aber auch deut­lich, wie zäh so eine Lava­mas­se flie­ßen kann und wie viel sie über­deckt. Denn so gran­di­os und magisch man­che Abschnit­te ver­zau­ber­ten, so ging auch man­ches rhyth­mi­sche und satz­tech­ni­sche Detail im Sturm des Klangs unter: Der Klang­schön­heit opfer­te Beck­mann hier den letz­ten Rest Deut­lich­keit. Umso bezau­bern­der ent­wi­ckel­te er dann die Fuge, deren lan­ge Stei­ge­rung er mit viel Ruhe aus­kos­te­te: Magisch eben, die­ser Bach oder B‑A-C‑H.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)